Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cosm

Cosm

Titel: Cosm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
Vom Netzwerk:
Gabelstapler in eine der kleineren Seitennischen. Damit war er erst einmal aus dem Weg, und sie konnten arbeiten, ohne daß ihnen jemand über die Schulter schaute. Mit einem Brecheisen hebelte Alicia das erste Stahlband auf. Die Ladung war tags zuvor, am 3. Mai, spät abends am John Wayne Airport eingetroffen, und als der Flughafen an diesem schönen Mittwochmorgen seine Tore öffnete, hatten sie und Zak bereits gewartet. Der Transport war offenbar ohne Zwischenfälle verlaufen, jedenfalls stand nichts in den Papieren. Trotzdem war Alicia nicht sicher, ob die Kugel noch immer fest in ihrem Magnetfeld hing. Oder hatte sie sich gelöst? Äußerlich war jedenfalls kein Schaden festzustellen …
    Ihre Armbanduhr begann zu piepsen. »Verdammt«, murmelte sie. »Schluß jetzt, Zak! Wir machen weiter, wenn ich zurückkomme.«
    Er nickte verschlafen und trollte sich, um sich irgendwo eine Tasse Kaffee zu besorgen. Sie ging kurz im Labor vorbei und holte sich die Folien und Vorlesungsnotizen, die sie vor drei Wochen in ihrem Schreibtisch deponiert hatte, um sie auf dem Weg zum Hörsaal mitnehmen zu können. Beim Durchblättern rief sie sich in Erinnerung, wie weit sie mit dem Stoff gekommen war, und welche Übungsaufgaben sie zuletzt gestellt hatte. Idealerweise sollte bei Einführungskursen wie diesem die Illusion vermittelt werden, die Naturwissenschaften schritten stetig voran, erforschten systematisch alle Grenzbereiche und eröffneten ständig neue Horizonte. Sie ging über den Innenhof und betrat den großen Hörsaal. Fünfhundert Gesichter schauten ihr entgegen.
    Sie legte gleich ihre erste Folie mit der Skizze eines quantenmechanischen Effekts auf, um dem bezahlten Mitschreiber aus der Klonfabrik genügend Zeit zu geben, die Zeichnung liebevoll abzupinseln. Am nächsten Morgen würde er dann die ersten Fotokopien ihrer Vorlesung verkaufen. Auf diese Weise konnten einige Studenten es sich leisten, heute zu fehlen. Die klassische, akademische Vorlesung, bei der man sich Notizen machte, ging bis auf die irischen Mönche zurück und hatte mehr schlecht als recht bis ins einundzwanzigste Jahrhundert überlebt. Lautsprecheranlage anschalten, ein paarmal probeweise aufs Mikrofon klopfen. Sie schaute zur Audiovisionskabine hin, wo ein Techniker ihre Vorlesung mitschnitt, um die Aufzeichnung tags darauf ebenfalls zum Verkauf anzubieten. Ob die Studenten wohl in allen Vorbereitungskursen auf das Medizinstudium nur passiv mit Wissen vollgestopft wurden? Sie seufzte. Lautstärke einstellen und anfangen.
    Zunächst entschuldigte sie sich dafür, daß sie die Vorlesung in den vergangenen Wochen nicht selbst gehalten hatte. Claire Yu hatte hart verhandelt, bevor sie sich bereiterklärte, den Kurs zu übernehmen: Alicia mußte sich nicht nur verpflichten, drei Wochen lang in einem Fortgeschrittenenseminar zu unterrichten, das Claire für den kommenden Herbst plante, sondern ihre Kolleginauch noch zu einem Abendessen ins Four Seasons einladen, eine gute Gelegenheit für die beiden, genüßlich über die Marotten ihrer Kollegen herzuziehen.
    Aber der Aufwand hatte sich gelohnt, dachte Alicia, während sie die Theorie der Quantenmechanik umriß. Nach nur drei Wochen im kühlen Klima Long Islands fühlte sie sich wie nach einem dreimonatigen Urlaub in frischer Luft und Sonnenschein. Nichts gegen die Lehre, aber im Grunde schlug ihr Herz doch für die Forschung.
    Als sie die Acht-Uhr-Vorlesung beendet hatte – die Studenten verabscheuten den Termin, aber sie hatte auf diese Weise den Rest des Tages frei und konnte sich anderen Dingen widmen – meldete sie sich im Sekretariat zurück. Ihr Postfach quoll über, und bei der Sekretärin stand noch eine weitere Schachtel mit Post aus den vergangenen drei Wochen für sie bereit. Sie war schon auf dem Weg zurück ins Labor, als der Fachbereichsvorsitzende den Korridor entlanggeschlendert kam. Offenbar hatte ihm seine Führungsassistentin (normale Berufsbezeichnungen gab es heutzutage ja nicht mehr) mitgeteilt, daß sie zurück war.
    »Ach, Alicia«, seine Freude wirkte etwas aufgesetzt, »ich wollte Sie um einen kleinen Gefallen bitten.«
    Martin Onell erschien wie üblich in voller Paradeuniform: dreiteiliger Anzug, heute in Grau, marineblaues Button-Down-Hemd, Krawatte in dezentem Bernsteingelb mit Bronzenadel, und als Kontrast ein hellgrünes Einstecktuch, das frech in die Welt der Modemuffel hinausblinzelte.
    »Martin, ich bin erst gestern abend von Brookhaven zurückgekommen …«
    »Ist

Weitere Kostenlose Bücher