Cosm
mit Mercedes-Benz und hohem Sozialprestige.
Sie hatte das Problem schon am ersten Vorlesungstag angesprochen: »Sehen sie sich den Kommilitonen zu Ihrer Rechten, dann den zu Ihrer Linken, den vor und den hinter ihnen an. Von diesen fünf Studenten wird im Durchschnitt nur einer zum Medizinstudium zugelassen. Die Note, mit der Sie diesen Kurs abschließen, ist für die Aufnahmekommission eins der wichtigsten Kriterien, um die Schafe von den Böcken zu scheiden. Ich bin darüber nicht glücklich, und Sie gewiß auch nicht. Aber Fakten sind Fakten, wie wir Physiker gerne sagen. Geben Sie Ihr Bestes, ich werde Ihnen nach Kräften dabei helfen.«
Ein Klopfen riß sie aus ihren düsteren Erinnerungen. Eine 3-B-Studentin, eine ernste, junge Vietnamesin stand vor der Tür. Natürlich, die Sprechstunde; Alicia hatte vergessen, daß sie zum Ausgleich für ihre Abwesenheit Extratermine anberaumt hatte. Die Studentin trat ein und äußerte die üblichen Sorgen wegen ihrer Note. Alicia ließ sie die üblichen zwei Minuten reden,bevor sie mit gezielten Fragen herauszufinden suchte, was das Mädchen nicht verstanden hatte. Wie sich schnell zeigte, war so gut wie gar nichts hängengeblieben. Als Alicia sich zurücklehnte, fiel ihr Blick auf ein Gedicht, das sie, für Studenten nicht sichtbar, an ein Bein ihres Schreibtischs geklebt hatte.
Leer und hohl und viel zu klein
sind Studentenköpfe.
Trichter her, ‘s muß noch viel rein
in die armen Tröpfe.
Zynisch, aber eine Erfahrung, die sich immer wieder bestätigte. Nicht wenige ließen sich schon allein durch das Tempo entmutigen, das in 3-B vorgelegt wurde. Einige sahen ein, daß der Kurs vor allem in dieser Beziehung als Filter diente: im Medizinstudium ging man noch viel schneller voran.
Die Gespräche mit Studenten nahmen den ganzen Vormittag in Anspruch. Dann ging sie hinüber zum Phoenix Grill, wo es ein ganz passables Hühnercurry gab. Hier in Kalifornien war der Frühling schon weit fortgeschritten, und der kurze Spaziergang tat ihr gut. Ganze Trauben von Gästen umlagerten die Tische vor dem Grill und sonnten sich. Claire Yu saß mit den Angehörigen des Lehrstuhls für Festkörperphysik an einem runden Tisch; dank ihrer Hüte war die Gruppe nicht zu übersehen; die Studenten ringsum hatten offenbar keine Angst vor Hautkrebs. Alicia bedankte sich bei Claire für die Vertretung bei den 3-B Vorlesungen, dann hörte sie einem Postdoc zu, der aufgeregt von einem Effekt erzählte, den er vorhergesagt hatte, verstand aber nicht so recht, worum es eigentlich ging.
Als sie in ihr Büro zurückkam, hielt die Sekretärin sie auf. Ihr Vater habe angerufen, verschiedene Universitätsangelegenheiten seien zu erledigen, ließen sich aber noch aufschieben, und ihre alte Freundin Jill habeum Rückruf gebeten. Das hatte alles Zeit. Sie flüchtete in ihr Labor.
In jedem Labor, in dem gearbeitet wird, herrscht natürlich Chaos, aber oft gibt es einen Bereich, in dem peinlich auf Ordnung und Sauberkeit geachtet wird. In Alicias Labor war das der Montagesaal, wo ihre Diplomanden und einige besonders fleißige Studenten der unteren Semester nach komplizierten Plänen die unzähligen Sensoren des Core-Element zusammensetzten. Auch Alicia verbrachte hier viel Zeit, um die Arbeit ihrer Helfer zu kontrollieren, mit ihnen an auftretenden Schwierigkeiten herumzuknobeln und ihnen immer wieder Mut zuzusprechen. Projekte, bei denen man sich so unermüdlich auf kleinste Details konzentrieren mußte, waren sozusagen die militärische Grundausbildung für Experimentalphysiker.
Zak war bereits im Montagesaal und packte die Teile des Core-Element aus. Sie waren mit einer späteren Maschine gekommen, und er war von sich aus und ohne Alicia ein Wort zu sagen zum Flughafen gefahren und hatte sie abgeholt. Wie hätte er mich auch finden sollen? dachte sie verdrossen. Ich war doch den ganzen Tag nur unterwegs.
Brad Douglas faßte mit an, und zwei jüngere Diplomanden beäugten entsetzt den sorgsam verpackten Schrott in der Kiste mit langen Gesichtern. Schließlich hatten sie dieses Core-Element in monatelanger Arbeit gebaut, geprüft und immer wieder verbessert. Sie begrüßten Alicia mit nur mäßiger Begeisterung.
Sie holte die ganze Gruppe von der Arbeit weg und setzte sich mit ihr an einen Montagetisch. Zeit für ein paar aufmunternde Worte, obwohl das gar nicht so einfach war, wenn man im Super Bowl von Brookhaven gleich das erste Spiel verloren hatte.
So sagte sie zu Anfang, das
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