Cosm
Lumpen zugestopft.«
»Nun sag schon.«
Jill ratterte mit der Präzision einer Buchhalterin Namen, Beruf und körperliche Vorzüge herunter. Alicia unterbrach. »Er könnte also tatsächlich der Mann fürs Leben sein?«
»Nein, nur der Mann für den Augenblick.«
Alicia schüttelte den Kopf. »Sehr pragmatisch. Sex als Konservierungsmittel.«
»He, ich durchlaufe nur die normalen sechs Lebensphasen: Geburt, Kindheit, das Grauen der Pubertät, die Midlife-crisis, die Schönheitsoperation, der Tod oder Was Danach Kommt.« Wieder spielte Jill nervös mit ihren Fingern, und ihre Schneidezähne gruben sich in Ermangelung eines Filtermundstücks in die scharlachrote Unterlippe.
»Mehr hast du nicht zu bieten? Ich glaube, den Tanz sitze ich aus.«
»Du kannst einen zum Wahnsinn treiben!« Jill beugte sich vor. »Du hast mir versprochen, daß du wieder mitspielst, wenn dieses Experiment erst richtig läuft.«
»Den anklagenden Zeigefinger kannst du dir sparen. Das Experiment läuft eben nicht …«
»Pah! Hör zu, du brauchst dich um dein Liebesleben gar nicht selbst zu kümmern. Überlaß das ruhig einem Profi.«
»Wie zum Beispiel dir?«
»Ich bin schon ein paar Runden mehr gelaufen.«
»Also reif für die Olympischen Spiele?«
»Das war ein Werturteil, wenn ich mich nicht irre.«
»Nur eine sachliche Feststellung.«
»He, was soll das? Du redest mit Jill. Ich war dabei, als dir der Rocksaum im Slip hängengeblieben ist, weißt du noch?«
Alicia lächelte matt. »Okay, okay. Vielleicht brauche ich wirklich einen gewissen Ansporn.«
Jill sah sie nachdenklich an. »Eher eine Generalüberholung.«
Sie hatten sich in Berkeley kennengelernt. Jill war zwei Jahre jünger, hatte Kommunikationswissenschaften und Jura studiert, verdiente nun als freie Journalistin im TV-Land, wie sie es nannte, das große Geld und führte ein sehr viel rasanteres Leben als damals in Berkeley mit seinem Lite Granola und seinen Birkenstocksandalen. Doch Alicia sah, daß dieses Leben Spuren hinterließ. Trotzdem, immer noch besser als dieUCI mit ihren Intellektuellen, die einfach durch einen hindurchschauten, ganz gleich, wie man sich anzog. Gewiß, die Sekretärinnen bemerkten den originellen Schnitt und die vorteilhaften Farben, und sie sprachen einen – etwas verlegen, man war ja schließlich Professorin – auch darauf an, aber davon wurde man nun wirklich nicht satt.
Seufzend leerte Alicia ihr Glas. »Wo wollen wir essen? Ich möchte gern zu Fuß gehen.«
»Immer schön beim Thema bleiben! Und nun tu nicht so, als würde ich eine Großoffensive von dir erwarten, so was wie den Einmarsch in die Normandie.«
»Als du mich beim letzten Mal überredet hast, mich richtig aufzudonnern, hat mir ein Deckenventilator die Hundert-Dollar-Frisur ruiniert.«
Jill hob beide Hände. »Okay, ein taktischer Fehler. Ich wollte ein Gegenstück zu Diana Ross aus dir machen.«
»Also Evita Peron.«
»Meinetwegen, aber so kurz, wie du es jetzt trägst, wirklich unmöglich. Ein kleines bißchen länger …«
»Ich habe meine Gründe, gerade jetzt auf Verabredungen zu verzichten. Die Arbeit …«
»Die Ausrede Arbeit gilt nicht mehr. Die hast du schon zu oft angebracht.«
Alicia lächelte. Es gab nur eine Möglichkeit, Jill von ihrem Lieblingsthema ›Wie rette ich Alicia‹ abzubringen: man mußte sie mit ihren eigenen Waffen schlagen. »Okay, drei Gründe, auf Verabredungen zu verzichten.« Sie zählte sie an den Fingern ab: »Ich bringe es nicht über mich, im Chinarestaurant mit meinem Parter von einem Teller zu essen. Der ideale Mann für mich ist noch nicht erfunden – vielleicht ist er eine anatomische Unmöglichkeit. Und wenn ich nicht jeden Abend um zehn schlafengehe, bin ich ungenießbar.«
»Das bist du auch jetzt schon.«
Alicia nickte. »Frau brauchen Essen.«
»Du brauchst einen Mann. Kann sein, daß ich das schon ein paar hundertmal gesagt habe.«
»Einen Mann? Wie schreibt man das?«
»He, niemand ist eine Insel, oder?«
»Bei den meisten wäre es besser.«
»Du sollst mir die Jagd nicht vermiesen.«
»Und ich bin ungenießbar?«
Sie gingen ins Las Brisas, ein mexikanisches Restaurant, weil man sich dort so tugendhaft und gesundheitsbewußt vorkam, wenn man die Suppe allein aß und die köstlichen, cholesterinreichen Butterkartoffeln unberührt ließ. Es war ein Touristenlokal der gehobenen Preisklasse, aber sehr hübsch und noch ziemlich in. Die meisten Tische waren schon besetzt, als sie kamen, und an der
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