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Cosm

Cosm

Titel: Cosm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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etwas früher, bevor sich das Universum aufbläht, bevor die Sache richtig anfängt, braucht man nicht mehr als ein Scheinvakuum.«
    Das Standardszenarium von der Entstehung des Universums kannte sie noch aus der Grundschule, damit hatten die Elementarteilchenphysiker schon vor Jahrzehnten die Kosmologie möbliert. Inzwischen gehörte es zur Allgemeinbildung wie die Geschichte des Rock ‘n’ Roll von der amerikanischen Popmusik über die britische Invasion und die Psychedelic-Welle bis zum langsamen Niedergang. Eine Kleinstregion wird – warum auch immer – zu einem höheren Energiezustand angeregt. Laut den eine Generation zuvor entwickelten ›Grand Unified Theories‹, die versuchten, drei der vier fundamentalen Wechselwirkungen in einem Modell zu vereinen, war dafür nur ein Körnchen Scheinvakuum mit einem Durchmesser von 10 -28 cm und einem einzigen Gramm Masse erforderlich. Mit anderen Worten, so gut wie nichts. Doch die Materie wurde so stark komprimiert, bis sie 10 80 mal dichter war als Wasser. Kein bekanntes, technisches Verfahren war dazu imstande.
    »…wenn also ein solches Scheinvakuum entsteht«, sagte Max gerade, »dann müßte sich zwischen ihm und uns sofort ein Flaschenhals bilden.«
    »Ein ›Flaschenhals‹?« Sie verzog skeptisch die Lippen.
    Sie konnte seiner Terminologie nur mit Mühe folgen, aber das ging ihr bei Theoretikern häufig so. Er hatte bereits einige Computerskizzen generiert und die Ausdrucke mit der Hand beschriftet. Anhand dieser Darstellungen versuchte sie sich nun vorzustellen, wie das Scheinvakuum innerhalb des Normalraums, dem achten Vakuum, in dem die Menschheit lebte, eine sogenannte ›Blasenwand‹ bildete.
     

     
    »Ein Flaschenhals ist also eine Delle in unserer Raumzeit – dem ›echten Vakuum‹. Die Delle verkörpert ein Scheinvakuum und wird sehr rasch tiefer. Die Zeichnung hier ist auch geometrisch richtig. Sobald dieScheinvakuumblase« – er schraffierte die Knolle an der Unterseite des Raumzeit-Trichters – »genügend Spielraum hat, kann sie wachsen, ohne in unserer Raumzeit Platz einzunehmen.«
    Sie wußte aus langer Erfahrung, daß sie eine Theorie, die sie nicht gleich begriff, am besten in kleine Teile zerlegte und auf jedem Stück so lange herumkaute, bis sie es verdaut hatte. »Wenn sich das Scheinvakuum ausdehnt, schafft es also einen neuen Raum.«
    »Genau. Einen neuen Raum. Das ist sehr wichtig. Die Ausdehnung geht nämlich nicht auf unsere Kosten. «
    »Und die Nabelschnur, die uns mit der Blase verbindet, ist Ihrer Meinung nach …«
    »Ein Ende davon ist eine Kugel und befindet sich in unserer Raumzeit. Wurmlöcher dieser Klasse hat bisher noch niemand so richtig analysiert.«
    »Warum ist sie fest?« Zurück zu den Anfangsfragen.
    »Weil die eigene, stark verdichtete Raumzeit, aus der die Nabelschnur besteht, wie eine unvorstellbar harte Substanz erscheint, die nur Licht durchläßt, aber nichts sonst.«
    »Etwas Ähnliches haben Sie schon einmal gesagt.« Zu Brad, dachte sie, und fragte, um sich von der Erinnerung abzulenken, rasch weiter: »Warum soll ich Ihnen jetzt glauben?«.
    »Weil es die einzige Erklärung dafür ist, warum wir da vorne eine stabile Kugel haben und kein winziges, Schwarzes Loch.«
    »Ich komme immer noch nicht mit. Diese neue Raumzeit schnürt sich doch immer mehr ab und müßte sich demnach immer weiter entfernen, richtig?«
    »Aber sie dehnt sich auch aus. Inwieweit sich das gegenseitig aufhebt, kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Was steht denn in den alten Aufsätzen?« Sie blätterte skeptisch die Fotokopien durch und las gelegentlich eine Überschrift, ohne damit etwas anfangen zu können.
    Max spielte mit seiner Kreide herum, ein deutliches Zeichen, daß er sich seiner Sache nicht sicher war. »Durch eine einfache Rechnung läßt sich ermitteln, daß die Abschnürung in etwa 10 -37 Sekunden erfolgen müßte, also ziemlich schnell.«
    Anstatt ihm ins Gesicht zu lachen, schaute sie auf ihre Armbanduhr.
    »Müssen Sie weg?« fragte Max.
    »Nein, ich sehe nur nach, ob die 10 -37 Sekunden schon vorbei sind.«
    Er lachte schallend, aber sie sah ihm an, daß ihm seine Theorie selbst nicht geheuer war, und daß es ihm am Herzen lag, sie zu überzeugen. Das war an sich rührend, aber sie hielt sich lieber an die Physik. »Wie würde Ihre Raumzeit denn in dieser Zeit, in Ihren 10 -37 Sekunden aussehen, bevor sie verschwände?«
    Er trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und befingerte immer noch das Kreidestück.

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