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Cosm

Cosm

Titel: Cosm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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bekommen.
    Er hatte ihr angesehen, daß sie kurz vor dem Zusammenbruch stand, und er hatte sie nur deshalb so hart angepackt, um durch den Nebel zu ihrem Bewußtseinvorzudringen. Damals waren ihr seine Worte sehr vernünftig vorgekommen, ohne daß sie diesen Eindruck hätte begründen können, und so recht wußte sie bis heute nicht, was sie davon zu halten hatte.
    Hatte er am Ende ihr Großes Problem erkannt? War es so deutlich sichtbar? Eigentlich war sie nur eine ganz normale Zwangsneurotikerin, doch ihre oft so schmerzhaften Kollisionen mit Männern ließen vermuten, daß wohl doch sehr schwer mit ihr auszukommen war. Sie stieß die Männer ab, als sei sie von einem unsichtbaren Kraftfeld umgeben. Jedenfalls die meisten Männer, wobei sie auch mit Frauen nicht gerade glänzend auskam, weil man nur mit ganz wenigen ein Gespräch führen konnte, das über die alltäglichen Banalitäten hinausging. Natürlich hatte sie irgendwann gemerkt, daß viele Physiker, die sie kannte, mehr oder weniger genauso über Frauen dachten, und darüber war sie nun keineswegs erfreut.
    Ratschläge für weibliche Wissenschaftler gab es in Hülle und Fülle: Erst die Festanstellung, dann die Kinder; Heirate nur ein Arbeitstier; Lächeln ist erlaubt, aufreizende Kleidung nicht; Innen Spitzenunterwäsche, aber außen Jeans. Innerhalb der Universität waren diese Regeln durchaus förderlich, doch in der normalen Welt engten sie ein wie ein Korsett.
    Die Liste der Liebhaber, die vor soviel geballter Negativenergie die Flucht ergriffen hatten, war erschütternd lang.
    Jonathan mit dem erdnußbraunen Teint, der milchkaffeebleich wurde, wenn er sich ärgerte, war nach Abschluß der üblichen Balzrituale streng nach dem Codex der Schwarzen Bourgeoisie verfahren: beim dritten Rendezvous war ›intensives Petting‹ angesagt (wer hatte nur diesen fürchterlichen Ausdruck erfunden? Irgendeine besorgte Mutter vielleicht?), beim vierten oder fünften Mal ging es dann zur Sache, gewöhnlich verbrachte man dazu ein Wochenende in einer besserenFrühstückspension (in New England, wenn man an der Ostküste lebte, in Catalina, wenn man Weststaatler war; aber keinesfalls in Vegas). Dieses Wochenende war irgendwie danebengegangen.
    Frank, der bei ihrem letzten Streit seinem Namen alle Ehre machte und kein Blatt vor den Mund nahm, hatte sie als ›verdammte Lesbe‹ bezeichnet, eine Unterstellung, der sie nichts entgegenzusetzen hatte, auch wenn sie spürte, daß sie von seiner Warte aus keineswegs schmeichelhaft war.
    Jonathan war einfach erloschen wie ein Roter Zwerg, anders als der Rote Ruben, der beim Essen in einem Restaurant wie eine Supernova explodiert war. Ruben – auch bei ihm war sie tugendsam geblieben, aber es war ein harter Kampf gewesen; fast hätte sie gesiegt.
    In allen diesen Fällen war Sex, der angeblich einzige Weg zur Liebe, das Haupthindernis für sie gewesen. Jill hatte einmal in leicht angetrunkenem Zustand und deshalb wohl ganz ehrlich die Meinung vertreten, Alicia besitze viel zu viel Persönlichkeit für einen einzigen Menschen; sie sei zu ernsthaft. Was natürlich stimmte; diese mitternächtlichen Gewissenserforschungen bewiesen es nur zu deutlich. Sogar ihre Selbstzweifel waren übertrieben. Auch nach der Pubertät hatte sie vergeblich darauf gewartet, daß dieses ewige Hin und Her – erst das tolle Essen und gleich darauf die Rechnung dafür – endlich aufhören würde.
    Freunde sagten ihr, sie müsse lernen, sich selbst besser zu verstehen, und das hieße, gesprächiger zu werden, aber sie zog es vor, sich durch Taten zu definieren. Geständnisse verursachten ihr Beklemmungen. Unter einer Analyse verstand sie, daß man sich den Schädel aufschnitt, um sämtliche Jahresringe zu zählen und jeden Waldbrand der Vergangenheit noch einmal aufzuwärmen. Nein, lieber zog sie den Kopf ein und wühlte sich allein durch ihre Probleme.
    Die weißen Bürgerrechtler, die es in jedem Collegegab, hatten die meisten ihrer Schwierigkeiten auf den herrschenden Rassismus zurückgeführt, aber Alicia hatte sich nie in die Rolle des Opfers drängen lassen, so verlockend das manchmal auch gewesen wäre. Sicher, wenn man blond, blauäugig und langbeinig war, wurde einem alles auf dem Silbertablett serviert, aber auch häßliche schwarze und nicht allzu begabte Frauen konnten nach oben kommen, wie sollte man sonst jemanden wie Maya Angelou erklären? Nicht ihr dicker Hintern, ihr üppiger Busen, ihre kräftigen Schenkel oder gar ihr freches

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