Cosmic Trigger
Millionen vorhandener Dinge weg (Freuds Zensur). Das Durcheinanderbringen des fertigen Produkts mit einer sorgfältigen Reflexion des Äußeren ist genau das, was Buddha meinte, als er sagte, daß normales Bewußtsein Täuschung ( maya) sei.
Man entdeckte bald, daß Pot ein Werkzeug sein konnte, mit dem man das Nervensystem nach Bedarf abstimmen konnte, so wie man das beim Bild des Fernsehers zu tun pflegt. Ich hatte erreicht, was der Semantiker Korzybski das »Bewußtsein des Abstrahierens« nennt; die Wahrnehmung des normalerweise unbewußten Mechanismus, in dessen Rahmen jeder von uns die Welt auf seine persönliche Vorstellungsweise überträgt.
Der Neurologe begann nun mit Yoga, ganz unmystisch und mit kaum einem Quentchen Pietät. Ich verstand, daß Yoga-Training – was immer es sonst noch in sich bergen mag – eine Methode darstellt, die ermöglicht, das Nervensystem von konditionierten Wahrnehmungen zu befreien. Indem ich Pot und Yoga kombinierte, bemerkte ich sehr bald, daß das Nervensystem praktisch von all jenen Wahrnehmungen und Reflexen befreit werden kann, die unser normales Spektrum an Möglichkeiten darstellt.
Unser alter Freund Alan Watts, ein äußerst skeptischer Theologe und experimenteller Mystiker, betrieb in jenen Jahren ähnliche Forschungen und kam zu ziemlich gleichlautenden Schlußfolgerungen. Während eines seiner Besuche in Chicago äußerte er sich gegenüber einem anderen Playboy-Redakteur: »Aber, mein lieber Mann, Realität ist nur ein Rorschach-Klecks, verstehen Sie.« Doch leider ist dies für alle jene, die Versuche dieser Art auf neurologischer Ebene nicht persönlich gemacht haben, kaum verständlich; jener Redakteur blieb zynisch. Leute ohne direkte Erfahrung konnten dies nicht verstehen; sie kamen zur Schlußfolgerung, daß ein Teil der Intelligentia verrückt geworden sein müsse…
Dies ist der Grund, weshalb Potheads eine gewisse unvermeidliche Entfremdung von der Gesellschaft entwickeln. Sie fangen an, sich als Einäugige im Reich der Blinden zu fühlen.
Die Ermordung Christi:eine Wiederholung
Während meiner Karriere als Amateur-Yogi kam Tim Leary mit seinem »Death of the Mind«-Straßentheater nach Chicago, und ich muß zugeben, daß ich ihn nicht annähernd so beeindruckend wie früher fand. Er stieg barfuß auf die Bühne, zündete Räucherstäbchen an, hielt einen Vortrag über Buddha, begleitet von psychedelischen Lichtbildern und unheimlichen Beleuchtungseffekten, und erweckte mehr oder weniger den Eindruck eines orientalischen Billy Graham. Es schien, daß ein brillanter Wissenschaftler sich selbst in einen zweitklassigen Messias verwandelt hatte. Kurz danach traf ich Tim auf der Straße vor dem Playboy-Gebäude, und wir gingen wieder zusammen essen. Tim war angetörnter als je zuvor, voller Energie und Lebensfreude, aber er zeigte auch mehr Sinn für Humor als früher und machte sich sogar über seinen Auftritt als Guru lustig. Keiner von uns sprach es aus, aber es war uns beiden klar, daß viel der derzeitigen Rolle Tims lediglich als Agitprop für die eine Sache diente, an die er wirklich glaubte: die Möglichkeit, daß LSD, weise und von Professionellen eingenommen, genügend Nervensysteme reprogrammieren könnte, um kurz vor der völligen Zerstörung unserer selbst das Bewußtsein und die Intelligenz zu erhöhen.
Irgendwie kamen wir auf Dr. Wilhelm Reich zu sprechen, und ich verglich Tims wachsende gesetzliche Probleme mit denen Reichs. Dr. Reich war der erste Freudianer, der die Freudschen Entdeckungen wörtlich nahm und es deutlich aussprach, daß die meisten Neurosen durch die jüdisch-christliche Unterdrückung des Sex verursacht seien. Noch schlimmer, Reich bestand darauf, daß diese Neurosen die unmittelbaren Ursachen für Rassismus, Sexismus, Vergewaltigung, Gewalt und Kriege seien. Sexuelle Unterdrückung, so schloß er, sei das öffentliche Gesundheitsproblem Nummer eins und sollte so rigoros bekämpft werden wie die Kinderlähmung oder Krebs. Reich begann seine Ketzereien in den zwanziger Jahren zu veröffentlichen, während er mit der Forschung an Paaren, die miteinander Geschlechtsverkehr unterhielten, in den dreißiger Jahren (30 Jahre vor Masters und Johnson) begann. Für diese und andere radikale Einstellungsweisen wurde Dr. Reich aus der Internationalen Psychoanalytischen Gesellschaft ausgeschlossen, aus der Kommunistischen sowie der Sozialistischen Partei Österreichs hinausgeworfen, durch die Nazis aus Deutschland ausgewiesen
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