Cosmic Trigger
dieses Erwachen durch den Krieg in Vietnam oder durch die Arbeit mit Schwarzen und Indianern im Kampf für die Menschenrechte, die ihnen zeigte, daß die Misere dieser Minderheiten nicht nur ein politischer »Streitfall«, sondern eine äußerst schmerzliche Realität war. Einige kamen erst nach Watergate zur Erkenntnis; andere bis heute noch nicht. Für mich, als Libertarier, kam das Erwachen damals, als die Agenten der Food and Drug Administration alle Bücher Dr. Reichs – 30 Jahre wissenschaftlicher Forschung – 1957 auf die Vansivoort Street in New York City schmissen und verbrannten.
Bücherverbrennungen dieser Art waren Szenen aus Nazi-Deutschland, und die Scheußlichkeiten der Anti-Nazi-Filme, die der Libertarier als Kind gesehen hatte, wurden in seinem eigenen Lande, in seiner eigenen Zeit lebendig.
Der Libertarier schrieb in jenen Tagen viel zu Reichs Verteidigung. Er veröffentlichte die Artikel in kleinen, politischen und okkulten Zeitschriften, welche damals als einzige bereit waren, die Behauptung abzudrucken, daß die Regierung der Vereinigten Staaten möglicherweise die Rolle der heiligen Inquisition gegenüber einem neuen Galilei gespielt habe. Der einzige Effekt dieser ganzen Schreiberei bestand darin, daß ich eine ganze Menge Reichianer kennenlernte, die, wie ich fand, ein trostloser Haufen waren. Gefühlsmäßig paranoiden, dogmatischen und intoleranten Head-Trips unterworfen, ahmten sie wohl unbewußt, aber äußerst bezeichnend all die von Reich selbst entwickelten Streßsymptome nach.
Nun, nachdem die sechziger Jahre vorüber waren, begann ich zu sehen, daß das gleiche Tötet-den-Ketzer-Drehbuch mit Tim Leary in der Hauptrolle erneut aufgelegt wurde. Es war dies eine routinemäßige Wiederholung wie das jährliche Erntedankfest. Reich hatte jenes blutige Ritual »Die Ermordung Christi« genannt und vorausgesagt, dieses Spiel würde so lange immer und immer wiederholt werden, wie die Menschheit »mit gepanzerten Muskeln« dem freien Spiel der Liebe und der Sexualität gegenüber verharren würde. Man beginnt sich zu überlegen, daß er damit wohl recht hatte…
In den Jahren 1966 –1967 publizierte ich in einem kleinen Magazin, The New Libertarian, eine Reihe subversiver Artikel und schloß (brieflich) Freundschaft mit dem Herausgeber Kerry Thornley. Wir begannen einander ziemlich lange Briefe zu schreiben (Thornley lebte in Los Angeles und ich in Chicago) und waren erstaunt, wie sehr unsere politischen Philosophien übereinstimmten.
Wir wandten uns beide gegen jede Form von Gewalt und Nötigung gegenüber dem einzelnen, sei es von Seiten der Regierungen oder von Leuten, die behaupten, Revolutionäre zu sein. Wir waren gleichermaßen von der organisierten Rechten wie von der organisierten Linken enttäuscht und blieben Utopisten, ohne an eine sichtbare Utopie zu glauben. Eine Zeitlang diskutierten wir freischwimmende libertäre Kommunen in internationalen Gewässern, was mir den Anstoß zur Anarchisten-Unterwasser-Phantasie in Illuminatus! gab. Später unterstützten wir die Pläne zur Auswanderung in den Weltraum von Leary und Prof. Gerard O’Neill.
In einem seiner Briefe erwähnte Thornley, daß er in der Marine zusammen mit Lee Harvey Oswald gedient hatte und daß sie gute Kumpels gewesen waren. Ich erwähnte, daß Oswalds Frau während der Zeit der Ermordung J. F. K.s bei der Schwester meines Hausarztes gelebt hatte. Dieser Zufall amüsierte und verblüffte uns, und wir bezeichneten ihn (noch) nicht als Synchronizität. In der Folge wurde ich durch Thornley und andere Libertarier Kaliforniens in die Geheimnisse des Diskordianismus eingeweiht, der ersten echten »wahren Religion«, die Thornley und Gregory Hill 1958 gegründet hatten. Der Diskordianismus basiert auf der Verehrung der griechischen Göttin des Chaos und der Zwietracht, Eris, im Lateinischen Discordia genannt. Da die Leser von Illuminatus! bereits einen großen Teil über diesen erhabenen Gedanken wissen, begnügen wir uns hier mit einer kurzen Zusammenfassung und zitieren aus Thornleys »Manual for Discordian Evangelists«:
»Die SOKRATISCHE ANNÄHERUNG ist am erfolgreichsten, wenn ein Unwissender mit ihr konfrontiert wird. Als sokratische Annäherung bezeichnet man das Aufstellen eines Arguments mittels Fragen. Du näherst dich dem Unwissenden und fragst ganz einfach: ›Hast du gewußt, daß Gottes Name ERIS lautet und daß ER ein Mädchen ist? ‹ Wenn er mit ›ja‹ antwortet, so ist er vermutlich ein
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