Cosmopolis
ausschlachteten und verschrotteten.
Wind kam auf. Er stand auf der Straße, nicht weit von einem verlassenen Mietshaus mit verbretterten Fenstern und einer Eisentür mit Vorhängeschloss, wo früher der Eingang gewesen war. Am liebsten hätte er sich einen Kanister Benzin besorgt und seine Limousine angesteckt. Einen Scheiterhaufen am Flussufer aufgetürmt, aus Holz, Leder, Gummi und Elektronik. Das wäre großartig, Tat und Anblick. Wir sind in Hell’s Kitchen. Das Auto zu geschwärztem totem Metallschrott runterbrennen, hier mitten auf der Straße. Aber er konnte Ibrahim so ein Schauspiel nicht zumuten.
Der Wind blies heftig vom Fluss her. Er und sein Fahrer trafen sich neben dem Auto.
»Frühmorgens können Sie genau hier Männer in weißen Overalls sehen, ganze Mannschaften, die die Limousinen waschen. Ein Limousinen-Marktplatz. Da fliegen die Putzlumpen nur so.«
Die beiden Männer umarmten sich. Dann stieg Ibrahim ein und ließ den Wagen die Rampe hinab in die Garage rollen. Das Stahlgitter kam herunter. Gleich würde er mit seinem eigenen Auto die Ausfahrt zur nächsten Straße nehmen, heimwärts.
Eric stand auf der Straße. Es gab nichts zu tun. Ihm war nicht klar gewesen, dass ihm das passieren konnte. Der Augenblick hatte keinerlei Dringlichkeit oder Sinn. Darauf war er nicht vorbereitet. Wo war das Leben, das er immer geführt hatte? Es gab keinen Ort, wo er hinwollte, nichts, woran er denken musste, niemanden, der wartete. Wie konnte er einen Schritt in irgendeine Richtung machen, wenn alle Richtungen gleich waren?
Dann fiel ein Schuss. Der Laut flog mit dem Wind. Das war etwas, jawohl, ein Vorfall, aber auch beinahe belanglos, ein hohles Knallgeräusch, in einem Atemzug gekommen und gegangen und nur mit einer schwachen Ahnung von Gefahr aufgeladen. Er wollte die Sache nicht unmäßig aufblasen. Dann ein weiterer Schuss, gefolgt von einer Männerstimme, die seinen Namen in einer Trochäusreihe heulte, so hoch und überschnappend, dass einem eisiger wurde als von den Schüssen.
ERIC MICHAEL PACKER
Es war also persönlich. Die Waffe in seinem Gürtel fiel ihm ein. Er nahm sie in die Hand und wollte zu ein paar kleinen Containern auf dem Bürgersteig hinter ihm sprinten. Dort war Deckung, ein Unterstand, von dem aus sich das Feuer erwidern ließ. Doch stattdessen blieb er stehen, wo er war, mitten auf der Straße, vor dem Bau mit dem Vorhängeschloss. Noch ein Schuss war zu hören, schwach, fast fortgerissen vom scharfen Wind. Der Schuss schien aus dem zweiten Stock zu kommen.
Er betrachtete seine Waffe. Es war ein stupsnasiger Revolver, klein und plump, mit einem breiten Abzug. Er sah in die Trommel, wo nur fünf Patronen steckten. Aber er wusste, er würde keine Patronen zählen.
Er wollte schießen, mit geschlossenen Augen, stellte sich seinen Finger am Abzug vor, in detaillierter Nahaufnahme, und sah auch sich selbst, den Mann auf der Straße vor dem toten Mietshaus, durch ein langes Objektiv.
Aber da kam etwas auf ihn zu, hinter seiner linken Schulter. Er schlug die Augen auf. Ein Mann auf einem Fahrrad, ein Fahrradbote, mit nacktem Oberkörper, und er rauschte mit ausgebreiteten Armen vorbei und bog in weitem Bogen auf den West Side Highway Richtung Norden ein, vorbei an Anlegestellen und Stegen.
Eric schaute ihm einen Moment nach, halb verwundert über den Anblick. Dann fuhr er herum und schoss. Er schoss auf das Haus, auf das Gebäude. Das war das Ziel. Für ihn ergab das absolut Sinn. Es ersparte ihm jegliches Wer oder Was.
Der Mann schoss zurück.
Warum deuten die Leute Schüsse als explodierendes Feuerwerk oder als Fehlzündungen von Autos? Weil sie nicht von einem Killer gejagt werden.
Er näherte sich dem Haus. Die verrammelte Tür sah gewaltig aus, ein eisernes Schott. Er dachte daran, einen Schuss auf das Schloss abzugeben, aus einer schieren, idiotischen Kinogeste heraus. Er wusste, es musste einen anderen Weg hinein und hinaus geben, weil das Vorhängeschloss nicht von innen geöffnet werden konnte. Links von ihm war ein Tor, ein paar Stufen, eine schmale, hundeverschissene Seitengasse, die zu einem vollgemüllten Hof hinter dem Haus führte.
Dort warf er sich gegen eine alte, verformte Tür. Er hatte eine Lettin als Körperkraft-Trainerin. Die Tür gab nach, und er betrat das Haus. Der hintere Korridor war morastig. Ein Mann lag tot oder schlafend im Vestibül, falls das Wort noch existiert, und er ging um den Körper herum und stieg im trüben, schaukelnden Licht einiger
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