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Cosmopolis

Cosmopolis

Titel: Cosmopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Glühbirnen zwei Stockwerke nach oben.
    Der Wind fegte durch die oberen Stockwerke. Auf den Treppenabsätzen lag abgefallener Gips, dazu aller möglicher Schrott und Schlick und Straßenschutt. Im zweiten Stock stieg er über zahlreiche, nicht aufgegessene Mahlzeiten auf Styroportabletts, mit ordentlich ausgedrückten, bis zum Stummel runtergerauchten Zigaretten. Alle Türen außer einer waren weg, und der Wind blies durch eine unvernagelte Fensteröffnung herein. Das gefiel ihm, das Geräusch des Windes, der durch Zimmer und Flure rüttelte. Ihm gefielen die beiden Ratten, die von dem Essen angezogen wurden. Die Ratten waren gut. Die Ratten waren okay und richtig, thematisch einwandfrei.
    Er stand vor der einzigen Wohnung, die über eine Tür verfügte. Er stand mit dem Rücken zur Wand, die Schulter leicht am Türpfosten. Er hielt die Waffe parallel zu seinem Gesicht, Mündung nach oben, und sah direkt geradeaus, in den windigen Korridor, wobei er die Dinge nicht gerade übermäßig deutlich erkannte, sich aber in den Augenblick hineindachte.
    Dann wandte er den Kopf und schaute auf seine Waffe, wenige Zentimeter neben seinem Gesicht.
    Er sagte: »Ich hatte eine Waffe, mit der ich reden konnte. Tschechisch. Aber ich habe sie weggeworfen. Sonst würde ich hier stehen und Torvals Stimme nachahmen, um den Mechanismus zu bedienen. Den Kode kenne ich ja zufällig. Ich sehe es vor mir, wie ich hier stehe und mit Torvals Stimme Nancy Babich Nancy Babich Nancy Babich flüstere. Ich kann seinen Namen aussprechen, weil er tot ist. Das war ein Waffensystem, keine Waffe. Du bist eine Waffe. Ich habe schon hundert Situationen wie diese gesehen. Ein Mann und eine Waffe und eine verschlossene Tür. Meine Mutter hat mich immer mit ins Kino genommen. Nach dem Tod meines Vaters nahm mich meine Mutter mit ins Kino. Das unternahmen wir als Mutter und Kind. Und ich sah zweihundert Situationen, wo ein Mann mit einer Waffe in der Hand vor einer verschlossenen Tür steht. Meine Mutter wusste immer den Namen des Schauspielers. Er steht so da wie ich jetzt, den Rücken zur Wand. Er steht stramm aufrecht, und er hält die Waffe so wie ich jetzt, nach oben gerichtet. Dann dreht er sich um und tritt die Tür auf. Die Tür ist immer verschlossen, und er tritt sie immer auf. Das war in alten und in neuen Filmen so. Egal. Da war die Tür, und da war der Tritt. Sie wusste sogar den mittleren Namen des Schauspielers, seine Ehegeschichte, den Namen des Altenheims, wo seine allein gelassene Mutter in einem Sessel döst. Ein einziger Tritt reicht immer. Die Tür fliegt sofort auf. Ich habe meine Sonnenbrille im Auto oder beim Friseur vergessen. Ich sehe es vor mir, wie ich hier stehe und vergeblich flüstere. Nancy Babich, du Drecksfotze. Aber dann, was dann? Wenn erst mal der Name gesagt war, wurde der Schießmechanismus vielleicht für eine bestimmte Zeit entsichert, oder bis jede Patrone verschossen war. Weil ich mir nicht vorstellen kann, dass man die ganze Zeit ihren Namen sagen muss, während man ungerührte Killer in einer Seitengasse unter Sperrfeuer nimmt. Diese Mütter mit ihren Filmen am Nachmittag. Wir saßen immer in leeren Kinos, und ich erklärte ihr, es ist unmöglich, einmal gegen eine Tür zu treten und zu erwarten, dass sie aufgeht. Wir reden hier ja nicht von morschen Fliegentüren in schlechten Vierteln, wo meistens willkürlich gemordet wird, so die Sorte Film. Ich war ein kleiner Junge und ein bisschen kleinlich, aber ich finde immer noch, ich hatte recht. Er sprach meinen Namen nicht aus und ich nicht seinen. Aber jetzt, wo er tot ist, kann ich seinen Namen aussprechen. Ich kann ein bisschen Tschechisch, es reicht für Restaurants und Taxis, aber ich habe die Sprache nie gelernt. Ich könnte mich hier hinstellen und die Sprachen aufzählen, die ich gelernt habe, aber wozu? Ich mochte es nie, zurückzuschauen, in der Zeit zurückzugehen, den Tag oder die Woche oder das Leben Revue passieren zu lassen. Vernichten und ausnehmen. Ausweiden. Macht funktioniert am besten, wenn keine Erinnerung dranhängt. Bolzengerade. Immer wenn das passierte, Mutter und Kind, dann sagte ich ihr, wer auch immer diesen Film gemacht habe, wisse nicht, wie schwer es im richtigen Leben ist, eine solide Holztür einzutreten. Im Auto oder beim Friseur. Titan und Neoplastik. Denn egal in was für einen Film wir gingen, ob in einen Spionagethriller, einen Western, eine Liebesgeschichte, eine Komödie, es gab immer einen Mann mit einer Waffe vor einer

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