Cosmopolis
Dann reden wir.«
Eric wollte sich nicht auf das Trimmrad setzen. Die Konfrontation würde zu einer Farce zerbröseln. Er sah einen schimmligen Plastikstuhl, den Schreibtischstuhl, und trug ihn zum Kaffeetisch.
»Ja. Das könnte mir gefallen. Hinsetzen und reden«, sagte er. »Ich habe einen langen Tag hinter mir. Dinge und Leute. Zeit für eine philosophische Pause. Etwas Reflexion, ja.«
Der Mann gab einen Schuss in die Decke ab. Was ihn überraschte. Nicht Eric; den anderen, das Subjekt.
»Sie sind mit dieser Waffe nicht vertraut. Ich habe schon mit dieser Waffe geschossen. Das ist eine ernsthafte Waffe. Der hier hingegen«, sagte Eric und fuchtelte mit seinem Revolver. »Ich überlege, einen Schießstand in meiner Wohnung einzurichten.«
»Warum nicht in Ihrem Büro? Lassen Sie doch alle in einer Reihe antanzen und erschießen Sie sie.«
»Sie kennen das Büro. Stimmt’s? Sie sind schon im Büro gewesen.«
»Sagen Sie mir, für wen Sie mich halten.«
Die grässliche Bedürftigkeit und halb schmeichelnde Erwartung des Subjekts machten Eric klar, dass sein nächstes oder übernächstes Wort auch sein letztes sein konnte. Sie musterten einander über den Tisch hinweg. Natürlich hätte er als Erster schießen können, aber das war ihm gar nicht richtig bewusst. Ganz abgesehen von der Frage, ob noch eine Patrone in der Kammer war.
Er sagte: »Ich weiß es nicht. Wer sind Sie?«
Der Mann nahm das Badetuch vom Kopf. Das sagte Eric nichts. Da war die hohe Stirn. Er sah das zerpflügte Haar, das in ungewaschenen Strähnen herabhing: dünn und schlaff.
»Vielleicht, wenn Sie mir Ihren Namen sagen.«
»Sie würden meinen Namen nicht kennen.«
»Ich kenne Namen eher als Gesichter. Sagen Sie mir Ihren Namen.«
»Benno Levin.«
»Das ist ein erfundener Name.«
Der Mann war etwas verblüfft, das zu hören.
»Er ist erfunden. Er ist falsch.«
Er war verwirrt und schämte sich.
»Er ist falsch. Er ist nicht echt. Aber ich glaube, ich erkenne Sie jetzt. Sie waren an dem Geldautomaten vor einer Bank, irgendwann am frühen Nachmittag.«
»Sie haben mich gesehen.«
»Sie kamen mir bekannt vor. Ich wusste nicht warum. Vielleicht haben Sie früher mal für mich gearbeitet. Und hassen mich. Und wollen mich umbringen. Okay.«
»Alles in unseren Leben, Ihrem und meinem, hat uns zu diesem Augenblick geführt.«
»Okay. Jetzt könnte ich ein großes, kaltes Bier gebrauchen.«
So verhärmt und ausgezehrt der Mann auch war, totenblass vor Verzweiflung, jetzt leuchtete etwas in seinen Augen auf. Er fand Ermutigung in der Tatsache, dass Eric ihn erkannt hatte. Nicht so sehr erkannt als vielmehr gesehen hatte. Gesehen und irgendeine Verbindung bemerkt, vage, auf einer belebten Straße. Fast ging das in der Hoffnungslosigkeit des Mannes unter, dieses Sprungbereite, das nicht wild oder tödlich war.
»Wie alt sind Sie? Interessiert mich.«
»Glauben Sie, Leute wie ich kommen nicht vor?«
»Wie alt?«
»Wir kommen vor. Einundvierzig.«
»Eine Primzahl.«
»Aber keine interessante. Oder bin ich schon zweiundvierzig geworden, was möglich ist, weil ich nicht mitzähle, weil warum sollte ich?«
Der Wind blies durch die Flure. Offenbar fröstelte er und legte das Badetuch wieder auf seinen Kopf, sodass ihm die Enden über die Schultern fielen.
»Ich bin mir selbst zum Rätsel geworden. Also sprach der Heilige Augustinus. Und zur sittlichen Schwäche.«
»Das ist ein Anfang. Das ist eine grundlegende Selbsterkenntnis«, sagte Eric.
»Ich meine nicht mich. Ich meine Sie. Ihr gesamtes Leben im Wachzustand ist ein einziger Widerspruch. Deshalb inszenieren Sie Ihren eigenen Absturz. Warum sind Sie hier? Das habe ich Sie doch als Erstes gefragt, als ich aus der Toilette kam.«
»Die Toilette ist mir aufgefallen. So ziemlich als Erstes. Was passiert mit Ihren Abwässern?«
»Unter dem Abfluss ist ein Loch. Ich habe ein Loch in den Boden geschlagen. Dann habe ich die Toilette so aufgestellt, dass ein Loch über das andere passt.«
»Löcher sind interessant. Es gibt Bücher über Löcher.«
»Es gibt Bücher über Scheiße. Aber wir wollen wissen, warum Sie freiwillig ein Haus betreten, in dem sich jemand befindet, der Sie umbringen will.«
»In Ordnung. Sagen Sie’s mir. Warum bin ich hier?«
»Das müssen Sie mir sagen. Irgendein unerwarteter Misserfolg. Ein Schlag für Ihre Selbstachtung.«
Eric dachte darüber nach. Der Kopf des Mannes auf der anderen Seite des Tisches war gesenkt, und er hielt die Waffe zwischen
Weitere Kostenlose Bücher