Cosmopolitan zum Frühstück
unbelehrbares und unersättliches Rindvieh. Pawlow hatte gepfiffen – die Arbeit konnte warten. Sie klickte auf die Mail. Zwei Hyperlinks, mehr nicht.
Eine Zeit lang haderte sie mit sich, aber dann klickte sie den ersten Link an, der sie auf eine Website brachte, die die Aufnahme einer Webkamera zeigte. Verdutzt runzelte sie die Stirn. Der Ausschnitt kam ihr so bekannt vor. Das war ja … ihr Büro! Sie sah sich selbst, wie sie am Schreibtisch saß.
Sie wollte die Verbindung schon trennen, da fiel ihr der zweite Link ein. Nach ein paar Mausklicks befand sie sich in einem anderen, unbekannten Büro. Sie konnte sich schon denken, wem das gehörte beziehungsweise wer dort gelegentlich ein Nickerchen machte, wenn er nicht gerade erfolgreichen Jungunternehmerinnen mit der Kamera nachstellte.
Sie klickte sich zurück auf den ersten Link. Erschießen sollte man den Kerl, dachte sie, erstens wegen Spionage und zweitens weil er sich so fest in meinem Leben eingenistet hat, dass ich ihm noch nicht einmal böse sein kann, wenn er meine Privatsphäre verletzt. Was erwartet er denn? Und wo steckt eigentlich die Kamera?
Melanie studierte kurz das Bild. Dann wanderten ihre Augen suchend über das oberste Brett ihres Bücherregals. Und da war sie, unauffällig zwischen den Fernseher und die Kabel für den Satellitenanschluss geschmuggelt. Offenbar hatte er sich die Informationen zunutze gemacht, die das Filmteam bei einer Tour durch die Büros erhalten hatte, und das Gerät über die Standleitung der Firma ans Internet angeschlossen.
Aber anstatt hochzuklettern und die Kamera aus dem Regal zu reißen, klebte Melanie an ihrem Stuhl. In diesem seltsamen Duell, das sie eine Affäre nannten, war tatsächlich er am Zug. Wie weit er wohl gehen würde?
Das brachte sie auf eine Idee. Offenbar hatte Jacob vergessen, mit wem er es zu tun hatte. Vielleicht hatte er auch keine Ahnung. Eine Melanie Craine ließ sich nicht so leicht erobern, auch wenn er die gegenteilige Erfahrung gemacht hatte. Schließlich hatte sie nicht all die Jahre umsonst die Nase in Hardware gesteckt und die Gesellschaft von Computerfreaks gesucht anstatt die von Lausejungs.
Freitagmorgen. Jacob schleuderte die Aktentasche unter den Garderobenständer und ließ sich in seinen Schreibtischstuhl fallen. Mit beiden Händen fuhr er sich übers Gesicht. Er war hundemüde, total erledigt. Unbesiegbar war anscheinend nur sein Kopf. Der Körper zeigte massive Ausfallerscheinungen. Diese Nacht würde er im eigenen Bett verbringen, um ein wenig Schlaf nachzuholen.
Aber das würde bedeuten, dass er nicht bei Melanie schlafen konnte. Und er war nicht sicher, ob er nicht eher auf eine Nacht ohne Schlaf verzichten konnte als auf eine Nacht ohne Sex. Was waren denn schon ein paar Stunden? Es ging auf Ende August hin, nächsten Monat mussten die Dreharbeiten abgeschlossen sein. Danach würden sie sich vermutlich nicht mehr so häufig sehen, denn der Oktober war ziemlich ausgebucht mit Interviews und Fotoausstellungen in New York. Dann konnte er sein Schlafdefizit immer noch aufholen.
Diesen Vormittag wollte er nutzen, um den Bürokram zu erledigen, den er durch die Arbeit bei gIRL-gEAR vernachlässigt hatte. Er musste Schreibarbeit verrichten, Anrufe erwidern und gleichzeitig ein paar Kollegen aus dem Weg gehen, die ihm die Hölle heißmachen würden, sobald sie ihn zu fassen kriegten.
Wegen Melanie hatte er letzte Woche ein paar Baseballspiele geschwänzt, die er mit seinen Kumpels hatte besuchen wollen. Dafür konnte er sich jetzt von Asa und Harry auf einiges gefasst machen.
Er loggte sich ins Netz von Avatare ein und fuhr den Laptop hoch. Es war sein erster und einziger Tag im Büro in dieser Woche, daher musste er zuallererst die eingegangenen Mails durchsehen. Das Interview mit Melanie, das für gestern auf dem Drehplan gestanden hatte, war abgesagt worden, und Ann Russell war schon am Abend fürs Wochenende nach L.A. geflogen. Jacob hatte also eigentlich bis Montag frei. Heute Morgen war er dann auch liegen geblieben, bis Melanie aufbrach, aber schließlich hatte er sich doch aufgerafft und war zur Arbeit gegangen, ehe sie ihn wieder einen Faulpelz nennen konnte. Morgen war ja Samstag.
Faul war er nämlich nicht. Er verdiente genug, um sich seine Wünsche zu erfüllen, und hatte es so weit gebracht, ohne sich unterwegs ein Magengeschwür zugelegt zu haben. Wie Melanies Körper mit dem Stress klarkam? Sie interessierte sich für ganz andere Dinge als die meisten
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