Cottage mit Aussicht
trinke, werde ich die ganze Nacht kein Auge zutun.«
»Dann lass uns gehen. So fabelhaft dieses Restaurant ist - ich glaube, für Tee hätten sie hier kein Verständnis.«
Irgendwie hatte Anna das Gefühl, dass ihr ein weiterer gesellschaftlicher Schnitzer unterlaufen war.
»Bitte.«
Max hatte sie durch die riesige Glaswand auf den Balkon geführt. Anna hatte den Eindruck, dass ganz London ihr zu Füßen lag. Die Themse, die wichtigste und uralte Arterie Englands, wand sich wie ein goldüberhauchter Pfad ihrer Mündung entgegen. Es war noch nicht dunkel, aber die Straßenlaternen und die beleuchteten Gebäude gaben der Stadt, die in Annas Augen immer glamourös war, etwas Atemberaubendes.
Passenderweise befand sich seine Wohnung im obersten Stockwerk eines alten Gebäudes, praktisch direkt neben der Tate Modern.
»Du kannst von hier aus fast alle der neueren Bauten sehen, nur nicht das Riesenrad«, erklärte er.
»Es ist fantastisch«, sagte Anna voller Ehrfurcht. »Und da drüben ist St. Paul's. Ich verstehe, warum du diese Wohnung wolltest, Max.«
»Viele der brutalistischeren Bauten sind während meiner Ausbildung errichtet worden. Großartige, aufregende Sachen. Hast du mal den Trellick Tower gesehen? Der ist wirklich brutal, aber ich finde, er besitzt auch eine Art wilder Schönheit.«
Anna holte Luft. »Ich habe ihn bestimmt nicht gesehen. Ich fürchte, jede architektonische Schule, die sich brutalistisch nennt, ist eine Spur zu modern für mich. Nicht dass ich moderne Gebäude nicht mögen würde«, sprach sie hastig weiter und ritt sich damit möglicherweise noch tiefer in den Schlamassel, »aber etwas Sanfteres ist mehr nach meinem Geschmack.«
Er lächelte nachsichtig. »Nun, ich lasse dich noch ein wenig länger die Aussicht genießen, während ich drinnen etwas erledige. Du kannst dir ja die Gurke ansehen. Die wird dir wahrscheinlich gefallen.«
Anna gefiel, wie die Gurke in den Himmel ragte, daher ignorierte sie den Seitenhieb und genoss die Aussicht. Eingeschmiegt in eine Überfülle innovativer, kraftvoller Bauwerke, die während des letzten Jahrhunderts hochgezogen worden waren, lag St. Paul's. Über eine so lange Zeit hinweg war es das höchste Gebäude Londons gewesen und ein Orientierungspunkt für alle. Anna wusste das Neue durchaus ebenso zu schätzen wie das Alte, aber das Alte war es, das ihr die lange, wechselvolle Geschichte Londons verdeutlichte.
»Also, bist du bereit für eine kleine Führung?« Max kam heraus und berührte sie am Arm.
Anna ging pflichtschuldigst mit ihm, obwohl sie lieber in der Sommerluft geblieben und die Aussicht noch eine ganze Weile genossen hätte.
»Dies ist das Wohnzimmer«, erklärte er. »Es gibt nur eins davon, aber wie du sehen kannst, ist es auf recht ansprechende Weise abgeteilt in einen Ess- und einen Wohnbereich.«
Die Böden waren aus poliertem Holz, weitaus feiner und dunkler in der Farbe als Annas Böden. »Was für ein Holz ist das?«, fragte sie.
»Kirschbaum. Teuer, doch am Ende erweist sich das Beste immer als das Billigere.«
Anna behielt den Gedanken für sich, dass nur reiche Leute sich solche Bemerkungen leisten konnten.
»Und die Wände?«
»Polierter Putz. Mir gefällt die Unebenheit. Er ist weiß, jedoch nicht das gewöhnliche Weiß. Es ist von Hand gemacht.« Natürlich. Er führte sie in die geradezu schmerzhaft extravagante Küche mit Arbeitsflächen aus poliertem Granit und Geräten, deren Qualität einem förmlich ins Auge sprangen. Ihr geschultes Auge sagte ihr, dass der riesige Herd wahrscheinlich mehr gekostet hatte, als sie für ihre ganze Küche ausgeben wollte. Zweifel stieg in ihr auf. Konnte Max' Freund, Julian, an ihrem alten, einfachen Cottage Gefallen finden, das noch viele ursprüngliche Züge eines Arbeiterhäuschens gewahrt hatte?
Im Badezimmer überraschten sie eine ebenerdig begehbare Dusche mit einem Duschkopf von der Größe eines Fußballs und eine halb in den Boden eingelassene Wanne nicht mehr sonderlich.
»Sie ist aus einem einzigen Stück Kalkstein geschnitten«, erklärte Max. »Auch das wieder teuer, aber sein Geld wert.«
»Entzückend«, meinte Anna, die ein wenig überwältigt war.
»Also, hättest du jetzt gern ein Glas Champagner?« Er drehte sich zu ihr um, sodass sie ihm gegenüberstand, und hob mit dem Finger ihr Kinn.
Anna blinzelte. »Ja, ich glaube, Champagner wäre schön.« Er half ihr, sich zu entspannen.
»Dann komm mit.«
Er führte sie nicht in die Küche oder ins
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