Cotton-Malone 03 - Der Pandora-Pakt
wahr?«
Drei Jahre lang hatten sie als Kollegen Seite an Seite gearbeitet. Es hatte keinen Sinn, noch länger um den heißen Brei herumzureden. »Es gibt nichts, was ich für dich tun könnte. «
»Scheiße. Wusste ich es doch. Du musst Hilfe holen. «
»Du weißt, dass ich das nicht kann. «
Der Standort ihrer abgelegenen Forschungsstation war von den Irakis und den Sowjets mit Bedacht ausgewählt worden, und Geheimhaltung hatte oberste Priorität. Der Preis für die Heimlichkeit ihrer Arbeit war, dass jeder Fehler ihnen zum Verhängnis werden konnte, und nun war genau das geschehen.
Easton ruckte mit seinen gefesselten Armen und Beinen an dem Bett. »Schneide die verdammten Stricke durch. Lass mich hier raus. «
Vincenti, der sich absolut klar darüber war, wie begrenzt ihre Optionen waren, hatte den Idioten festgebunden. »Wir können hier nicht weg. «
»Scheiß auf die Politik. Schneid die verdammten Stricke durch, du Scheißkerl. «
Easton versteifte sich, er rang mühsam nach Atem, dann gewann das Fieber die Oberhand, und er wurde bewusstlos.
Endlich.
Vincenti wandte sich vom Feldbett ab und griff nach dem Buch, das er seit drei Wochen führte. Auf der ersten Seite stand der Name seines Partners. Darunter hatte er sich Notizen über den Verlauf der Krankheit gemacht. Er hatte die stetige Veränderung der Hautfarbe festgehalten, die sich von einer normalen Gesichtsfarbe über einen gelblichen Hautton mittlerweile in eine solche Leichenblässe verwandelt hatte, dass sein Kollege wie tot wirkte. Vincenti hatte einen unglaublichen Gewichtsverlust vermerkt, der Mann hatte insgesamt zwanzig Kilo abgenommen und fünf davon innerhalb von zwei Tagen. Außer einem gelegentlichen Schluck warmes Wasser und ein paar Löffeln Brühe hatte er auch nichts mehr zu sich genommen.
Und dann dieses Fieber.
Diese permanent hohe Körpertemperatur, die bei neununddreißigeinhalb Grad lag und manchmal noch höher war. Der Körper verlor mehr Flüssigkeit, als er aufnehmen konnte, und verdampfte buchstäblich vor Vincentis Augen. Jahrelang hatten sie Tierversuche gemacht, für die Bagdad ihnen unzählige Gibbons, Paviane, Grüne Meerkatzen, Nagetiere und Reptilien geliefert hatte. Doch hier ließ sich nun zum ersten Mal der Verlauf der Krankheit beim Menschen beobachten.
Er sah auf seinen Partner hinab. Eastons Brust hob und senkte sich mühsam, Schleim rasselte in seiner Kehle, und Schweiß perlte wie Regen über seine Haut. Vincenti notierte all seine Beobachtungen in dem Buch und steckte danach den Stift wieder ein. Dann erhob er sich vom Feldbett, trat ein paar Mal auf und versuchte, wieder Gefühl in seine taub gewordenen Beine zu bekommen. Er stapfte in die kühle Nacht hinaus und fragte sich, wie lange Eastons zerstörtes Gewebe diese Torturen noch aushalten würde.
Und was sollte er später mit der Leiche tun?
Da es für solche Notfälle kein Protokoll gab, würde er improvisieren müssen. Zum Glück hatten die Erbauer der Forschungsstation in weiser Voraussicht einen Verbrennungsofen für die bei den Experimenten anfallenden Tierkadaver eingebaut. Aber er würde sich etwas einfallen lassen müssen, um eine menschliche Leiche darin verbrennen zu können.
»Ich sehe Engel. Sie sind hier. Überall« , schrie Easton plötzlich von seinem Feldbett.
Vincenti ging wieder nach drinnen.
Easton war blind. Vincenti war sich nicht sicher, ob das Fieber oder eine Folgekrankheit die Retina zerstört hatte.
»Gott ist hier. Ich sehe ihn. «
»Natürlich, Charlie. Ganz bestimmt. «
Er maß den Puls. Das Blut schoss stoßweise durch die Halsschlagader. Er lauschte auf das Herz, das wie eine Trommel hämmerte. Dann prüfte er den Blutdruck, der fast schon nicht mehr da war. Die Körpertemperatur lag weiter bei neununddreißig Komma fünf Grad.
»Was soll ich Gott sagen?« , fragte Easton.
Vincenti starrte auf seinen Partner hinab. »Sag ihm ›guten Tag‹.«
Er zog einen Stuhl ans Bett und sah seinem Kollegen beim Sterben zu. Das Ende kam zwanzig Minuten später, und es schien weder gewaltsam noch schmerzhaft zu sein. Easton hatte einen letzten Atemzug gemacht. Tief und lang. Und dann hatte er nicht mehr ausgeatmet.
Vincenti schrieb den Zeitpunkt des Todes auf und entnahm eine Blut- und Gewebeprobe. Dann wickelte er die Matratze und das schmutzige Betttuch um die Leiche und trug das stinkende Bündel aus dem Gebäude in einen angebauten Schuppen. Ein Skalpell, scharf wie die Kante einer Glasscherbe, lag schon bereit,
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