Cotton-Malone 03 - Der Pandora-Pakt
daneben eine Knochensäge. Vincenti zog ein Paar dicke Gummihandschuhe an und sägte die Beine der Leiche ab. Das mürbe Fleisch ließ sich mühelos schneiden, die Knochen waren brüchig und die Muskelstränge weich wie bei einem Suppenhuhn. Er amputierte auch beide Arme, steckte alle vier Gliedmaßen in den Verbrennungsofen und sah ungerührt zu, wie sie verbrannten. Der arm- und beinlose Torso passte dann samt Kopf mühelos durch die Stahltür. Anschließend schnitt er die blutige Matratze in vier Teile und stopfte sie zusammen mit dem Bettzeug und den Handschuhen rasch ins Feuer.
Dann schlug er die Tür zu und taumelte nach draußen.
Vorbei. Endlich.
Er sank auf den steinigen Boden und sah in den Nachthimmel. Vor dem Hintergrund der dunkelblauen Berge, die in den Himmel reichten, zeichnete sich der noch dunklere Umriss des Backsteinkamins ab. Aus ihm quoll Qualm, der den Gestank von verbranntem Menschenfleisch in den Himmel trug.
Vincenti legte sich hin und ließ die Augen zufallen.
An jenen Schlaf, der nun gut fünfundzwanzig Jahre zurücklag, erinnerte Vincenti sich bis heute. Und an den Irak. Was für eine Hölle das gewesen war. So heiß und erbärmlich. Dieser einsame, verlassene Ort. Was hatte die UN-Kommission nach dem ersten Golfkrieg noch einmal abschließend festgestellt? Angesichts der angestrebten Ziele war die Ausstattung absolut archaisch, doch in der damaligen aufgeheizten Atmosphäre hielt man sie für Spitzentechnik. Genau. Diese Inspektoren waren nie dort gewesen. Er dagegen schon. Damals war er noch jung und schlank gewesen, sein Haar war noch voll und sein Kopf voller kluger Ideen. Und er war ein erstklassiger Virologe gewesen. Er und Easton waren schließlich in ein abgelegenes Labor in Tadschikistan abkommandiert worden, wo sie mit dem Einverständnis der Sowjets, die die Region kontrollierten, in einer Station am Rande des Pamirgebirges arbeiteten.
Nach wie vielen Viren und Bakterien hatten sie gesucht? Nach natürlichen Organismen, die sich als biologische Waffen nutzen ließen. Waffen, die den Feind ausschalteten, die lokale Infrastruktur dagegen erhielten. Man brauchte die Bevölkerung nicht zu bombardieren, keine Kugeln zu verschwenden, keine radioaktive Verseuchung zu riskieren und keine Truppen in Gefahr zu bringen. Man konnte die ganze Schwerarbeit einem winzigen Mikroorganismus überlassen, der den Feind ohne jeden Zweifel besiegen würde.
Die Kriterien für die Organismen, die sie auswählten, waren einfach gewesen. Sie sollten schnell wirken, biologisch identifizierbar, begrenzt einsetzbar und vor allem auch heilbar sein. Hunderte von Krankheitserregern wurden verworfen, weil es nicht möglich war, die Krankheit in den Griff zu bekommen. Denn was nützte es, einen Feind zu infizieren, wenn man die eigene Bevölkerung nicht vor dem Erreger schützen konnte? Alle vier Kriterien mussten erfüllt sein, bevor ein Krankheitserreger in den Katalog aufgenommen wurde. Knapp zwanzig hatten es geschafft.
Obwohl die Presse nach der Biowaffenkonvention von 1972 berichtet hatte, dass die Vereinigten Staaten die biologische Kriegsführung aufgegeben und alle Arsenale zerstört hätten, hatte Vincenti das nicht geglaubt. Das Militär verwarf nicht die Ergebnisse einer jahrzehntelangen Forschung, weil ein paar Politiker sich unilateral dafür entschieden hatten. Vincenti ging davon aus, dass zumindest einige dieser Organismen sich noch in einer unauffälligen militärischen Institution im Kälteschlaf befanden.
Er selbst hatte sechs Pathogene gefunden, die alle Kriterien erfüllten.
Doch Probe 65-G war in jeder Hinsicht durchgefallen.
Er hatte das Virus 1979 zum ersten Mal im Blut der Grünen Meerkatzen entdeckt, die sie für ihre Experimente erhalten hatten. Konventionell arbeitenden Wissenschaftlern wäre es niemals aufgefallen, doch dank seiner ausgezeichneten Virologenausbildung und der besonderen Ausrüstung, die die Irakis ihm stellten, hatte er es entdeckt. Der seltsam kugelförmige Erreger war mit RNA und Enzymen gefüllt gewesen. Setzte man ihn der Luft aus, zerfiel er. In Wasser kollabierten die Zellwände. In warmem Plasma dagegen gedieh es bestens, und es war bei fast allen Grünen Meerkatzen zu finden, die Vincenti untersucht hatte.
Und doch hatte keins der Tiere krank gewirkt.
Charlie Easton dagegen schon. Dieser verdammte Dummkopf. Zwei Jahre zuvor war er von einem der Affen gebissen worden, hatte dies aber erst drei Wochen vor seinem Tod erzählt, als die ersten
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