Cotton-Malone 03 - Der Pandora-Pakt
als riskant galt. Daher war sie auf der Hut, als sie die unsichtbare Linie zu diesem Teil des Stadtviertels überschritt. Ihre Blicke schossen hin und her wie die einer jagenden Raubkatze, während sie auf das Café am Ende der Straße zuhielt.
Das Jan Heuval nahm das Erdgeschoss eines dreigeschossigen Lagerhauses ein. Es war eins der zahllosen alten Cafés am Rebrandtplein. Als Stephanie die Tür öffnete, bemerkte sie sofort den Haschischgeruch und das Fehlen von Drogenverbotsschildern.
Das Café war gerammelt voll und die Luft geschwängert von einem benebelnden Qualm, der wie angesengte Seilfasern roch und unter den sich der Duft von gebratenem Fisch und heißen Maroni mischte. Stephanies Augen brannten. Sie schob ihre Kapuze zurück und schüttelte die Nässe auf die ohnehin feuchten Dielenfliesen.
Dann entdeckte sie Klaus Dyhr. Er sah genau so aus, wie man ihn ihr beschrieben hatte: Mitte dreißig, blond, blass, mit einem wettergegerbten Gesicht.
Nicht zum ersten Mal rief sie sich in Erinnerung, dass sie hier war, um jemandem einen Gefallen zu erwidern. Cassiopeia Vitt hatte sie gebeten, Dyhr zu kontaktieren, und da sie ihrer Freundin mehr als einen Gefallen schuldig war, hatte sie schlecht nein sagen können. Bevor sie Kontakt mit Dyhr aufnahm, hatte sie ihn überprüfen lassen und erfahren, dass er in den Niederlanden geboren und in Deutschland zur Schule gegangen war und jetzt als Chemiker bei einer Amsterdamer Kunststofffirma arbeitete. Er war ein fanatischer Münzensammler mit einer angeblich beeindruckenden Sammlung, und eine seiner Münzen hatte das Interesse ihrer muslimischen Freundin geweckt.
Der Niederländer stand allein an einem Stehtisch, hielt ein Glas Braunbier in der Hand und aß gebratenen Fisch. In einem Aschenbecher brannte eine selbst gedrehte Zigarette, von der ein dichter, grüner Qualm aufstieg, der definitiv kein Tabakrauch war.
»Ich bin Stephanie Nelle«, sagte sie auf Englisch. »Die Frau, die Sie angerufen hat.«
»Sie haben gesagt, Sie wollten etwas kaufen.«
Sein mehr als knapper Tonfall machte deutlich: »Sagen Sie mir, was Sie wollen, bezahlen Sie, und ich verschwinde hier.« Seine glasigen Augen verrieten, dass er ziemlich stoned war. Sie fühlte sich selbst langsam etwas benommen. »Wie ich Ihnen schon am Telefon gesagt habe, möchte ich das Elefantenmedaillon haben.«
Er trank einen Schluck Bier. »Warum ausgerechnet das? Es ist ziemlich unbedeutend. Ich habe viele andere Münzen, die viel wertvoller sind. Und ich mache gute Preise.«
»Das glaube ich Ihnen. Aber ich möchte das Medaillon haben. Sie haben gesagt, es sei zu verkaufen.«
»Ich sagte, es hängt davon ab, was Sie zahlen wollen.«
»Kann ich es sehen?«
Dyhr griff in seine Tasche – und sie nahm das längliche Medaillon, das in einer Plastikhülle steckte, entgegen und betrachtete es. Auf der einen Seite war ein Krieger abgebildet, auf der anderen ein Kriegselefant mit Reiter, der sich einem Mann zu Pferde entgegenstellte. Die Münze war etwa so groß wie ein amerikanisches Fünfzigcentstück, und die Prägung war ziemlich abgewetzt.
»Sie haben keine Ahnung, was das ist, oder?«, fragte Dyhr.
Sie beschloss, ehrlich zu sein. »Ich bin in jemandes Auftrag hier.«
»Ich will sechstausend Euro für das Ding.«
Cassiopeia hatte ihr gesagt, sie solle jeden Preis zahlen, Geld spiele keine Rolle. Doch als sie nun die abgewetzte Münze betrachtete, fragte sie sich, warum dieses unscheinbare Ding so wichtig sein sollte.
»Soweit bekannt, gibt es nur acht solcher Münzen«, sagte Dyhr. »Sechstausend Euro sind ein Schnäppchen.«
»Nur acht? Warum verkaufen Sie sie dann?«
Er griff nach dem brennenden Joint, inhalierte tief und stieß den Rauch in einer dicken Qualmwolke aus. »Ich brauche das Geld.« Er senkte den Blick und starrte in sein Bier.
»Steht es so schlimm?«, fragte sie.
»Als ob Sie das interessieren würde.«
Zwei Männer standen plötzlich links und rechts von Klaus Dyhr. Der eine war hellhäutig, der andere dunkel. Ihre Gesichter zeigten eine Mischung aus arabischen und asiatischen Zügen. Draußen regnete es noch immer in Strömen, aber die Mäntel der Männer waren trocken. Der Hellhäutige packte Dyhr am Arm und drückte ihm eine Messerklinge flach gegen den Bauch. Der Dunkelhäutige legte Stephanie scheinbar freundschaftlich einen Arm um die Schulter, führte ihr die Spitze eines Messers an die Rippen und drückte die Klinge in ihren Mantel.
»Das Medaillon«, sagte der
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