Cotton-Malone 03 - Der Pandora-Pakt
werden?« Sie ärgerte sich darüber, dass sie in der Vergangenheitsform von ihm sprach.
Der Wind rüttelte am Boot, und das Wasser schlug gegen den tief liegenden Rumpf.
»Sie würden sich wundern, wenn Sie wüssten, aus welch banalen Gründen sie Menschen tötet.«
Seine ausweichende Antwort machte sie noch wütender. »Gehen Sie ans Steuerrad, verdammt.« Sie beobachtete ihn von der anderen Seite aus. »Bringen Sie uns schön langsam fort von hier.«
»Wohin?«
»Nach San Marco.«
Er drehte sich um und gab Gas, riss das Boot aber plötzlich nach links, so dass Cassiopeia den Halt verlor. Im der Sekunde, als sie um ihr Gleichgewicht kämpfte und nicht schießen konnte, stürzte er sich auf sie.
Viktor wusste, dass er diese Frau töten musste. Sie war der lebende Beweis für sein mehrfaches Versagen, und wenn man sie entdeckte, würde Zovastina ihr Vertrauen in ihn verlieren.
Ganz zu schweigen davon, dass sie Rafael umgebracht hatte.
Mit der linken Hand packte er die Oberkante der Achterkabinentür, schwang sich an ihr über das schwankende Deck hinaus und trat voller Wucht mit seinen Stiefeln gegen die Arme der Frau.
Sie wehrte den Tritt ab und stürzte vornüber.
Das Cockpit maß ein paar Quadratmeter. Zu beiden Seiten ermöglichten zwei Öffnungen den Einstieg ins Boot. Die Motoren heulten, während das Boot führerlos gegen die Dünung ankämpfte. Gischt spritzte über die Windschutzscheibe. Die Frau hielt noch immer die Pistole in der Hand, hatte aber Schwierigkeiten, das Gleichgewicht wiederzuerlangen.
Er schlug zu und traf sie mit dem Handballen am Kinn. Ihr Kopf kippte nach hinten und krachte gegen etwas. Viktor nutzte ihre Benommenheit, um das Ruder wieder umzulegen und das Gas zu drosseln. Er wollte auf jeden Fall vermeiden, dass das Boot in irgendwelchen Wasserpflanzen oder Untiefen hängen blieb. Links von ihm sah er die Umrisse der Insel, auf der das brennende Museum die Nacht erleuchtete. Das Boot drehte sich in den Wellen, und die Frau griff sich an den Kopf.
Viktor beschloss, die Angelegenheit der Natur zu überlassen.
Mit einem Tritt beförderte er die Frau ins Meer.
47
Zovastina trat durch die Ikonostasis in den Chorraum und starrte auf den großartigen Baldachin des Doms. Vier mit Reliefs verzierte Alabastersäulen trugen einen massiven Block aus grünem Marmor, in welchen sich überschneidende Gewölbefächer gehauen waren. Dahinter schimmerte, vom Baldachin umrahmt, die berühmte Pala d’Oro, das aus Gold, Edelsteinen und Emaille gefertigte Altarbild.
Unter dem Altar waren die zwei Teile des Steinsarkophags zu sehen. Bei dem Deckel handelte es sich um eine eher unförmige Steinplatte, wogegen das Unterteil ein glatt behauenes Rechteck darstellte, in das man die Worte CORPUS DIVI MARCI EVANGELISTAE eingraviert hatte. Zovastinas Lateinkenntnisse reichten für eine ungefähre Übersetzung der Inschrift aus. Der Leichnam des göttlichen Sankt Markus. Aus dem Deckel ragten zwei dicke Eisenringe hervor, mit deren Hilfe die schweren Steine offensichtlich ursprünglich abgesenkt worden waren. Jetzt steckten in den Ringen kräftige Eisenstangen, die an den Enden mit vier hydraulischen Hebevorrichtungen verschraubt waren.
»Diese Aktion hier ist eine echte Herausforderung«, erklärte Michener. »Unter dem Altar ist kaum Platz. Mit schwerem Gerät könnten wir den Sarg natürlich leicht öffnen, aber dafür fehlen uns Zeit und Ruhe.«
Zovastina bemerkte die Männer, die die Hebevorrichtungen bereit machten. »Sind das Priester?«
Michener nickte. »Sie gehören zum Domkapitel. Wir hielten es für das Beste, die ganze Sache möglichst im Stillen zu regeln.«
»Wissen Sie, was in dem Sarkophag liegt?«
»Ihre Frage zielt wahrscheinlich darauf ab, ob die Überreste mumifiziert sind.« Michener zuckte die Schultern. »Dieses Grab ist vor hundertachtzig Jahren zum letzten Mal geöffnet worden. Niemand kann genau sagen, was sich jetzt darin befindet.«
Seine selbstgefällige Art nervte sie. Ptolemaios hatte die von Eumenes ausgetauschte Mumie, die alle Welt für Alexanders Leichnam hielt, nach Kräften politisch ausgenutzt. Zovastina konnte nicht sagen, ob das, was sie gleich sehen würde, ihr Antworten verschaffen würde, aber sie musste es unbedingt herausfinden.
Michener gab einem der Priester ein Zeichen, und die hydraulischen Hebevorrichtungen wurden in Gang gesetzt. Die Eisenringe auf dem Deckel richteten sich lotrecht auf, und dann wurde der schwere Deckel ganz langsam,
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