Cotton-Malone 03 - Der Pandora-Pakt
sie aufhorchte.
»Wo sind die Wächter?«
»Tot.«
»Und meine Pflegerin?«
»Ihr geht es gut. Ich glaube, dass ihr tatsächlich etwas an Ihnen liegt.«
Sie nickte. »Das stimmt.«
In ihren besseren Zeiten musste diese Frau umwerfend gewesen sein – verführerisch für Männer wie für Frauen –, und er konnte gut nachvollziehen, warum Zovastina sich zu ihr hingezogen gefühlt hatte. Aber es war auch klar, dass die beiden Frauen sich aneinander gerieben haben mussten. Beide waren Alpha-Frauen und daran gewöhnt, dass es nach ihrem Kopf ging.
»Ich lasse Sie schon eine ganze Weile beobachten«, erklärte er ihr.
»Viel zu sehen gibt es da ja nicht.«
»Was würden Sie sich wünschen, wenn Sie einen Wunsch frei hätten?«
Die Todkranke schien ernsthaft über seine Frage nachzudenken, und er sah, wie die Worte sich in ihrem Kopf formten. Dieselbe Entschlossenheit hatte er vor langer Zeit auch bei anderen Menschen beobachtet, die sich in ähnlich ausweglosen Situationen befanden und sich an jedem Strohhalm festklammerten, da nicht der Glaube und auch nicht die Wissenschaft ihnen noch helfen konnten.
Sondern nur ein Wunder.
Und sie enttäuschte ihn nicht, als sie tief Atem holte und sagte: »Zu leben.«
50
Venedig
Viktor eilte an der hell erleuchteten Westfassade des Markusdoms vorbei. Oben an der Fassade stand der Heilige Markus in der stockfinsteren Wache über einem goldenen Löwen mit ausgebreiteten Flügeln. Zu Viktors Linken lag das abgesperrte Zentrum der Piazza, auf dem zahlreiche Polizisten sich tummelten. Aus den Gesprächsfetzen der versammelten Menge hatte er aufgeschnappt, dass es eine Schießerei gegeben hatte. Viktor ließ das Treiben hinter sich und hielt auf den Nordeingang der Kirche zu, wie Zovastina es ihm aufgetragen hatte.
Das Auftauchen der Bogenschützin beunruhigte ihn. Sie sollte eigentlich tot in Dänemark liegen. Und wenn sie nicht tot war, waren die beiden Männer bestimmt auch noch am Leben. Die Dinge gerieten langsam außer Kontrolle. Er hätte bleiben sollen, bis er sicher war, dass die Frau in der Lagune ertrunken war, aber Zovastina erwartete ihn, und er durfte sich nicht verspäten.
Er sah noch immer vor sich, wie Rafael gestorben war.
Zovastina würde sein Tod nicht weiter bekümmern, das Einzige, was sie daran interessieren würde, war, ob Rafaels Tod Verdacht erregt hatte. Aber wie sollte er das? Man würde ja keine Leiche finden. Nur Asche und Knochensplitter.
Genau wie damals, als Ely Lunds Haus abgebrannt war …
»Sie wollen mich umbringen?« , fragte Ely. »Was habe ich denn getan?« Der Eindringling schwenkte drohend seine Waffe. »Wie soll ich denn jemandem gefährlich werden?«
Viktor stand außer Sichtweite im Nachbarraum und lauschte.
»Warum antworten Sie mir nicht?« , fragte Ely lauter.
»Ich bin nicht hier, um zu reden« , sagte der Mann.
»Sondern nur, um mich zu erschießen?«
»Ich tue, was man mir aufträgt. «
»Und Sie haben keine Ahnung, warum Sie das tun sollen?«
»Darum kümmere ich mich nicht. «
Stille breitete sich aus.
»Ich wünschte, ich hätte noch einige Dinge erledigen können« , sagte Ely schließlich. Sein Tonfall war melancholisch, resigniert und überraschend ruhig. »Ich habe immer gedacht, ich würde an meiner Krankheit sterben. «
Viktor horchte auf.
»Sind Sie mit etwas infiziert?« , fragte der Fremde misstrauisch. »Sie sehen nicht krank aus. «
»Dafür gibt es auch keinen Grund. Aber ich bin trotzdem krank. «
Viktor hörte das unverkennbare Klicken des Pistolenschlittens.
Er hatte draußen gestanden und zugesehen, wie das Haus niedergebrannt war. Samarkands schlecht ausgerüstete Feuerwehr hatte wenig unternommen. Schließlich waren die Wände eingebrochen, und das Griechische Feuer hatte alles verzehrt.
Nun hatte er noch etwas erfahren.
Die Frau aus Kopenhagen hatte an Ely Lund gehangen und wollte seinen Tod rächen.
Als er die Basilika umrundet hatte, lag das Nordportal vor ihm. Hinter der geöffneten Bronzetür stand ein Mann.
Viktor riss sich zusammen.
Die Chefministerin erwartete, dass er ganz bei der Sache war.
Zovastina reichte Michener das unterzeichnete Konkordat. »Jetzt lassen Sie mich bitte die vereinbarten dreißig Minuten allein.«
Auf Micheners Wink zogen sich die Priester aus dem Chorraum zurück.
»Sie werden noch bereuen, dass Sie mich unter Druck gesetzt haben«, sagte sie.
»Und Sie könnten feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, den Heiligen Vater
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