Cotton Malone 05 - Der Korse
Thorvaldsen.
Der Gelehrte schüttelte den Kopf. »Haben Sie diesen Psalm gelesen? Das scheint Napoleons Art zu sein, in Selbstmitleid zu baden. In einem der Bücher, die im Louvre verkauft werden, bin ich allerdings heute Nachmittag auf etwas Interessantes gestoßen: Nach Napoleons Abdankung 1814 hat die neue Pariser Regierung Gesandte nach Orleans geschickt, um Marie Louises Kleider, kaiserlichen Schmuck, Diamanten und einfach alles, was von Wert war, zu konfiszieren. Sie wurde ausführlich befragt, ob Napoleon Reichtümer gehortet habe, aber sie erklärte, darüber nichts zu wissen, was wahrscheinlich stimmte.«
»Dann hat die Suche nach seinem verborgenen Schatz also damals angefangen?«
»So hat es den Anschein.«
»Und sie dauert bis heute fort.«
Das lenkte Thorvaldsens Gedanken auf Ashby.
Morgen würden sie sich endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen.
Und was war mit Malone?
Was tat der eigentlich?
Malone verließ den Zug und folgte Lyon in den Terminal Zwei des Flughafens Heathrow. Er machte sich Sorgen, dass der Mann London verlassen würde, aber der kam nicht einmal in die Nähe eines Schalters oder der Sicherheitskontrolle. Stattdessen ging er durch den Terminal, blieb dann an einem Kontrollpunkt stehen und zeigte etwas vor, das wie ein Ausweis mit Lichtbild aussah. Malone konnte ihm unmöglich unbeobachtet folgen, da der Korridor leer war und an seinem anderen Ende eine einzige Tür lag. Daher zog er sich in eine Wandnische zurück, holte das Handy aus der Manteltasche und wählte Stephanies Nummer.
»Ich bin im Heathrow Airport an einem Kontrollpunkt mit der Nummer 46-B. Den muss ich passieren, und zwar schnell. Es steht dort ein einzelner Wachmann mit einem Funkgerät.«
»Warte einen Moment. Ich bin gerade mit den richtigen Leuten zusammen.«
Er mochte Stephanies Fähigkeit, ein Problem sofort, ohne Fragen oder Einwendungen, zu verarbeiten und dann eine Lösung zu finden.
Er verließ die Nische und trat zu dem jungen Wachmann. Lyon war inzwischen verschwunden, er hatte die Örtlichkeit durch die Tür am Ende des Korridors verlassen. Malone erklärte dem Wachmann, wer er war, zeigte ihm seinen Reisepass und erklärte, dass er durch die Tür müsse.
»Kommt nicht in Frage«, sagte der Mann. »Dazu müssen Sie auf der Liste stehen.« Mit seinem knochigen Finger tippte er auf ein Heft, das geöffnet vor ihm auf dem Schreibtisch lag.
»Wer war der Mann, der hier gerade eben durchgekommen ist?«, versuchte es Malone.
»Warum sollte ich Ihnen das sagen? Wer zum Teufel sind Sie?«
Das Funkgerät des Mannes piepste und er nahm das Gerät aus der Halterung und antwortete. Ein Ohrhörer verhinderte, dass Malone etwas mitbekam, aber aus der Art, wie er jetzt betrachtet wurde, schloss er, dass das Gespräch ihn betraf.
Der Wachmann beendete das Gespräch.
»Ich bin derjenige, der diesen Anruf veranlasst hat«, erklärte Malone. »Und jetzt sagen Sie mir, wer war der Mann, der hier gerade durchgegangen ist?«
»Robert Pryce.«
»Was macht er hier?«
»Keine Ahnung, aber er war schon mehrmals hier. Was kann ich für Sie tun, Mr. Malone?«
Der englische Respekt vor Autorität war bewunderungswürdig.
»Wohin geht Pryce?«
»Er ist für Hangar 56-R ausgewiesen.«
»Sagen Sie mir, wie ich dorthin komme.«
Der Wachmann zeichnete rasch eine Karte auf ein Stück Papier und zeigte zur Tür am Ende des Korridors. »Die hier führt zum Vorfeld.«
Malone eilte los und trat in die Nacht hinaus.
Hangar 56-R fand er schnell, da aus drei seiner Fenster orangegelbes und weißes Licht leuchtete. In der Ferne dröhnten Düsentriebwerke über den verkehrsreichen Flughafen hinweg. Rundum standen zahlreiche Gebäude unterschiedlicher Größe. Dieser Bereich war anscheinend privaten Fluggesellschaften und Firmenjets vorbehalten.
Malone beschloss, dass ein kurzer Blick in eines der Fenster die sicherste Vorgehensweise war. Er ging um das Gebäude herum, vorbei an seiner Rolltür. Auf der anderen Seite schlich er sich zu einem Fenster, spähte hinein und erblickte eine einmotorige Cessna Skyhawk. Der Mann, der sich Robert Pryce nannte, der aber mit Sicherheit Peter Lyon war, untersuchte gerade die Flügel und den Motor. Der Rumpf des Flugzeugs war weiß mit blauen und gelben Streifen, und Malone merkte sich die Flugzeugkennung auf der Schwanzflosse. Außer Lyon war in dem Hangar niemand zu sehen, und der schien damit beschäftigt, das Flugzeug in Augenschein zu nehmen. Die Tüte von Selfridges
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