Cotton Malone 05 - Der Korse
herablassende Art nicht. »Und was, wenn ich mir keine berufliche Zukunft wünsche?«
Sie warf ihm einen Blick zu, den er von seinen Vorgesetzten kannte – von Menschen, die über die Einhaltung kleinlicher Regeln wachten und sich auf altehrwürdige Vorschriften beriefen, die es einem nahezu unmöglich machten, zu zeigen, was man konnte.
»Ich dachte, Sie wollten als Agent im Außendienst arbeiten. Das hat der Secret Service mir gesagt. Ich biete Ihnen einfach nur eine Chance.«
»Was soll ich tun?«, fragte er.
»Das hängt ganz von Miss Morrison hier ab.« Die Ältere sah Meagan an. »Ob Sie mir das nun glauben oder nicht, ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Also sagen Sie mir, nachdem Sie sich auf Ihrer Website über Weltverschwörungen ausgelassen haben, die vielleicht existieren, vielleicht aber auch nicht: Welche handfesten Beweise haben Sie, die ich interessant finden könnte?«
»Sie treten ja ganz schön großspurig auf, oder?«
»Und ob.«
Meagan lächelte. »Sie erinnern mich an meine Mutter. Die war auch stahlhart.«
»Das bedeutet einfach nur, dass ich alt bin. So gewinnen Sie meine Zuneigung nicht.«
»Diejenige, die eine Waffe in der Hand hält, sind immer noch Sie.«
Stephanie ging an den beiden vorbei und trat zum Küchentisch, wo Meagans Pistole lag. Sie nahm die Waffe in die Hand. »Im Cluny sind zwei Männer gestorben. Ein weiterer liegt im Krankenhaus.«
»Der Museumswärter?«, fragte Sam.
Stephanie nickte. »Er wird durchkommen.«
Sam freute sich, das zu hören.
»Wie steht es mit Ihnen, Miss Morrison? Sind Sie auch froh darüber?«
»Das ist nicht mein Problem«, sagte Meagan.
»Sie haben die Schießerei ausgelöst.«
»Nein. Ich habe die Gefahr angeprangert.«
»Haben Sie irgendeine Ahnung, für wen die beiden Toten gearbeitet haben?«
Meagan nickte. »Für den Pariser Club.«
»Das ist nicht ganz richtig. Tatsächlich hat Eliza Larocque die beiden engagiert, um Ihrem Lockvogel zu folgen.«
»Sie sind nicht gerade auf dem neuesten Stand.«
»Dann erzählen Sie mir etwas, was ich nicht schon weiß.«
»In Ordnung, Sie Schlaukopf. Wie wäre es mit Folgendem? Ich weiß, was in zwei Tagen geschehen wird.«
Thorvaldsen saß allein in seiner Suite im Ritz, den Kopf hinten im Sessel angelehnt. Malone war gegangen, nachdem er versichert hatte, dass er morgen das Buch aus dem Hôtel des Invalides holen würde. Thorvaldsen hatte Vertrauen in seinen Freund, und zwar im Moment mehr als in sich selbst.
Er nippte Brandy aus einem gläsernen Kognakschwenker und versuchte, sich zu beruhigen. Zum Glück hatte sich der Aufruhr der Gedanken, der ihm zu schaffen machte, jetzt, zur Nacht hin, gelegt. Er hatte schon viele Kämpfe durchgestanden, aber dieser hier war anders – er nahm ihn nicht nur persönlich, sondern war geradezu besessen von der Sache –, und das machte ihm Angst. Vielleicht würde er schon morgen in direkten Kontakt mit Graham Ashby kommen, und er wusste, dass dieser Moment schwierig sein würde. Er musste herzlich wirken und dem Mann, der seinen Sohn ermordet hatte, die Hand schütteln, ihm zuvorkommend begegnen. Bis zum richtigen Moment musste alles geheim bleiben.
Er trank noch einen Schluck Alkohol.
Cais Beerdigung ging ihm durch den Kopf.
Wegen der irreparablen Schäden, die die Kugeln angerichtet hatten, war der Sarg verschlossen geblieben, doch er hatte gesehen, was vom Gesicht seines Sohnes übrig geblieben war. Er hatte darauf bestanden. Dieses schreckliche Bild musste er sich einfach ins Gedächtnis brennen, weil er wusste, dass er nicht ruhen würde, bis dieser Tod vollständig aufgeklärt war.
Jetzt, zwei Jahre später, kannte er die Wahrheit.
Und seine Rache war nur noch Stunden entfernt.
Er hatte Malone belogen. Selbst wenn er Eliza Larocque dazu veranlassen könnte, sich Ashby vorzuknöpfen, würde er den Dreckskerl trotzdem selbst töten.
Das würde kein anderer tun.
Nur er selbst.
Genau wie gestern Nacht, als er Jesper aufgehalten und Amando Cabral und dessen Helfer eigenhändig erschossen hatte. Was wurde aus ihm? Ein Mörder? Nein. Ein Rächer. Aber gab es da überhaupt einen Unterschied?
Er hielt das Glas gegen das Licht und bewunderte den satten Farbton des Getränks. Dann genoss er noch einen Schluck Brandy, diesmal größer und befriedigender.
Er schloss die Augen.
Verstreute Erinnerungen zuckten ihm durch den Kopf, verblassten einen Moment lang und meldeten sich dann erneut. Die Bilder tauchten lautlos hintereinander auf wie Dias
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