Cotton Reloaded - Folge 2: Countdown
verhindert werden kann. Sollte New York vor dem Inferno bewahrt bleiben, drückt die Dienstaufsicht bei Ihnen möglicherweise beide Augen zu. Andernfalls wird jemand für den Terroranschlag bezahlen müssen. Bei den Geheimdiensten werden etliche Köpfe rollen. Die von Ihnen und Dillagio werden mit Sicherheit dabei sein. Und nun stehen Sie nicht länger herum und stehlen mir die Zeit, Cotton. Wir sehen uns morgen früh. Es sei denn, Ihnen fällt auf dem Heimweg die entführte Maschine auf den Kopf. In dem Fall sind Sie natürlich entschuldigt.«
»Zynismus steht Ihnen nicht besonders, Decker.«
»Zynismus kann einem die Wirklichkeit manchmal erträglicher machen. Hoffen wir, dass die Homeland Security erfolgreicher ist als wir.«
*
Cotton fuhr nach Williamsburg, Brooklyn. Es war ein merkwürdiges Gefühl für ihn, um diese Uhrzeit zu Hause in seinem Apartment in der Hewes Street zu sein.
In New York nahm das Alltagsleben inzwischen seinen Lauf. Unzählige Menschen strömten durch die Straßen, die sich von einem Moment auf den anderen in eine Todeszone verwandeln konnten. Wie würde es in Manhattan wohl in einer halben Stunde aussehen?
Kurz vor sieben Uhr schaltete Cotton den Fernseher ein. Das gekaperte Flugzeug fand in den Nachrichten mit keinem Wort Erwähnung. Während der nächsten halben Stunde wurde auch kein Laufband mit einer Eilmeldung über einen Flugzeugabsturz in New York eingeblendet. Cotton konnte nur auf ein Wunder hoffen.
Um acht Uhr immer noch nichts. Was bedeutete, das Antiterrorteam der Homeland Security hatte das Unmögliche wahr gemacht: Entweder waren die Cyberterroristen gefasst, oder der Bordcomputer des Flugzeuges war aus dem Zugriff dieser Bastarde befreit.
Eigentlich hätte Cotton erwartet, Erleichterung zu verspüren. Stattdessen empfand er gar nichts. Er duschte, rasierte sich und zog frische Kleidung an. Anschließend goss er sich ein Glas Orangensaft ein und trat ans Fenster. Von draußen erklang gedämpft das Geräusch des Straßenverkehrs. Cotton blickte auf die Ziegelsteinfassaden benachbarter Häuser. Hinter einem Fenster konnte er eine Frau sehen, die in ihrer Küche stand und bügelte. In einer anderen Wohnung saß ein Mann im Unterhemd vor dem Fernseher.
Cotton wurde sich wieder einmal bewusst, dass er keinen seiner Nachbarn kannte, obwohl er schon eine Weile hier wohnte.
Er wandte sich vom Fenster ab, ließ sich aufs Sofa sinken, schloss die Augen und wartete darauf, dass dieser albtraumhafte Tag endlich vorüberging. Nach einer durchschlafenen Nacht und einem guten Frühstück sah die Welt morgen vielleicht ein bisschen besser aus.
*
Gegen Mittag kam Bewegung in die Nachrichten. Die ersten Sender brachten Meldungen über eine misslungene Flugzeugentführung. Zunächst waren es kaum mehr als Spekulationen über einen verhinderten Terroranschlag in New York, doch mit jeder Stunde wurden die Gerüchte konkreter, verdichteten sich die Hinweise, dass etwas Wahres hinter der Geschichte stecken könnte. Zunehmend stellte die Berichterstattung darüber alle anderen Nachrichten in den Schatten.
Bei den Geheimdiensten stand man vor einem Rätsel. Niemand konnte sich erklären, wie die Meldung von der gekaperten Boeing an die Presse durchsickern konnte. Man hatte Stillschweigen vereinbart, um die Bevölkerung nicht im Nachhinein zu beunruhigen. Nicht zu Unrecht fürchtete man als Reaktion eine Mischung aus Entsetzen und Wut, weil die Bewohner New Yorks im Vorfeld nicht informiert worden waren.
Selbst die Passagiere des gekaperten Flugzeugs ahnten nichts von den wahren Hintergründen ihrer verspäteten Landung. Sie waren mit der Erklärung abgespeist worden, es hätte Probleme mit dem Fahrwerk gegeben. Den Angestellten des Flughafens und der Besatzung der Maschine, die über den wahren Sachverhalt Bescheid wussten, drohte Gefängnis, wenn sie etwas über die Entführung in der Öffentlichkeit verlauten ließen. Diese Meldung fiel nach Einschätzung der Homeland Security unter den PATRIOT Act, das Bundesgesetz, das die Bürgerrechte im Interesse der nationalen Sicherheit einschränkte.
Am frühen Nachmittag konnte die Regierung die Wahrheit über die Flugzeugentführung nicht länger vor der Öffentlichkeit verheimlichen und ging in die Offensive. Für achtzehn Uhr wurde eine Pressekonferenz im New Yorker Polizeipräsidium angesetzt.
Cotton verfolgte die Liveübertragung im Fernsehen.
Minuten vor Beginn der Pressekonferenz brachte eine Nachrichtensprecherin eine
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