Cotton Reloaded - Folge 2: Countdown
Lebensaufgabe. Frag mich in dreißig Jahren noch mal, wann die Kiste fertig sein könnte. Vorausgesetzt, dass ich dann noch lebe. Willst du wirklich so lange warten?«
»Habe ich eine andere Wahl?«
»Ich könnte dir den Weg zur nächsten Schrottpresse zeigen.«
»Hör mal, der Jaguar ist ein Erbstück meines Vaters. Selbst wenn es mich den letzten Cent kostet, werde ich ihn eines Tages fahren. Hast du ein Problem damit?«
»Nee. Wer die Knete hat bestimmt, wo’s langgeht.« Der Mechaniker grinste. »Na schön, sehen wir uns den Patienten mal von unten an.«
Cotton folgte ihm zur letzten Halle am äußersten Ende des Vorplatzes. Die Luft roch nach Motoröl. Der Jaguar stand vor einer Hebebühne. Die Motorhaube war hochgeklappt. Kabelstränge baumelten wie Innereien heraus. An Wandhaken hingen mehrere saubere Overalls. Cotton nahm einen und streifte ihn über. Der Mechaniker schob die Tragarme einer zweisäuligen Hebebühne unter das Fahrzeug. Per Knopfdruck ließ er den Jaguar hydraulisch auf Kopfhöhe hochfahren.
Anschließend fand eine Bestandsaufnahme des Unterbodens statt. Auch hier hatte der Rost bis in die entlegensten Winkel zugeschlagen. Es bedurfte einer Menge Schweißarbeit, um da noch etwas zu retten.
Abends kehrte Cotton in seine Wohnung zurück. Zu seiner Verwunderung war Zoe immer noch da. Sie stand vor einem Wandspiegel und betrachtete sich nachdenklich.
»Was machst du denn noch hier?«, fragte Cotton.
»Ich dachte, ich dürfte so lange bleiben, bis meine Mom zurück ist.«
»Ist sie denn noch nicht da?«
»Wäre ich dann noch hier?«
»Wie lange ist sie denn sonst weg?«
»Eine oder zwei Stunden.«
»Okay«, sagte Cotton auf dem Weg zur Küche. »Zum Abendessen gibt´s Makkaroni mit Käse und Tomatensoße.«
Nachdem sie gegessen hatten, erklärte Cotton, Zoe solle nachsehen, ob ihre Mutter inzwischen gekommen sei. Widerwillig gehorchte das Mädchen. Mit schleppenden Schritten verließ sie die Wohnung und näherte sich dem Apartment am Ende des Korridors. Bevor sie an die Tür klopfte, schaute sie noch einmal zurück. Cotton stand vor seiner Wohnungstür und beobachtete sie aufmerksam.
Widerstrebend klopfte Zoe an. Es dauerte eine halbe Minute, ehe geöffnet wurde.
Von seiner Position aus konnte Cotton nicht erkennen, wer dem Mädchen öffnete. Er sah nur, dass sie ziemlich eilig durch die Tür verschwand.
Cotton nahm sich vor, das Mädchen und seine Mutter im Auge zu behalten. Irgendetwas stimmte da nicht.
Er kehrte in seine Wohnung zurück und machte sich im Bad für die Nacht zurecht. Nur mit einer Pyjamahose bekleidet ging er zu Bett.
Sein Schlafzimmer war nicht ganz dunkel. Ein wenig Licht drang durch die zugezogenen Vorhänge von draußen herein. Nach Mitternacht war er immer noch wach. Allein mit sich und seinen Gedanken lag er auf dem Bett und starrte auf die Schatten an der Zimmerdecke. Seine Schuldgefühle, im Fall des gekaperten Flugzeugs versagt zu haben, machten ihm schwer zu schaffen. Tausend Dinge, die in den vergangenen achtundvierzig Stunden passiert waren, geisterten ihm durch den Kopf.
Aber das alles gehörte der Vergangenheit an. Was er in diesem Fall auch falsch gemacht hatte - es war nun mal passiert. Allerdings hatte er keine Ahnung, wie seine Zukunft aussehen sollte. Der Gedanke, zum NYPD zurückzugehen, erschien nicht sehr verlockend.
Plötzlich drang ein leises Klopfen an sein Ohr. Das Geräusch kam von der Wohnungstür. Cotton schwang sich aus dem Bett. Im Vorbeigehen schnappte er sich einen Morgenmantel vom Stuhl und streifte ihn über.
Vor der Tür stand Zoe. Sie schluchzte. Tränen strömten ihr übers Gesicht. Ihre Haare waren wie verfilzt, die Kleidung an einigen Stellen zerrissen.
Cotton erschrak. »Du lieber Himmel, was ist denn mit dir passiert?«
Das Mädchen sagte nichts. Ob aus Angst oder aus einem anderen Grund, war nicht ersichtlich.
»Komm rein.« Cotton zog sie sanft an der Hand ins Apartment und schloss die Tür. Aus einem Küchenschrank holte er eine Packung Papiertücher und reichte sie Zoe. Das Mädchen tupfte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie ließ sich ins Wohnzimmer führen und setzte sich in einen Sessel, den Blick auf den Boden gerichtet.
Cotton musterte sie genauer. Was er sah, erschreckte ihn. Ihr Gesicht war voller Prellungen. Auf Oberlippe, Mund und Kinn klebte verkrustetes Blut, das ihr aus der Nase gelaufen war. Das Mädchen war eindeutig misshandelt worden.
»Wer war das?«, fragte Cotton mit leiser Stimme, in
Weitere Kostenlose Bücher