Couchgeflüster
mich lauernd an. «Sein Name interessiert mich nicht. Ich will wissen, was ihr in Ellas Sprechzimmer treibt!»
Jetzt reicht es mir aber mit Ausfragen, denke ich bockig. «Na,
du
hast mir doch aufgetragen, hier am Nachmittag den Telefondienst zu schieben. Und Ben, ähm … ich meine, Herr Reuther, wollte nur mal … na ja, also, er wollte auf die Toilette.»
«Ja, ja, schon klar», winkt Tante Tessa plötzlich grinsend ab und droht scherzhaft mit dem Zeigefinger. «Ich war schließlich auch mal jung. Aber bitte keine Schweinigeleien auf der Couch!»
Empört stemme ich die Hände in die Hüften. «Also bitte, Tessa, was denkst du von mir? Ben und ich haben uns nur unterhalten.»
Das ist nicht mal gelogen.
Noch etwas ungläubig mustert sie mich. «Schon gut. Aber du siehst irgendwie so … Ich weiß nicht. Die Klamotten sehen aus, als gehörten sie Ella, und seit wann trägst du dein Haar so streng zurückfrisiert?»
«Ja, ähm … also das ist nur wegen …»
Plötzlich erhellt sich das Gesicht meiner Tante, und ihre dunklen Augen blitzen. «Ach, wie niedlich. Ihr treibt Rollenspielchen! Psychotante und Patient.»
In dem Moment kommt Ben zurück. Tessa mustert ihn neugierig.
«Und was für ein
Problem
lassen Sie von
Dr. Nitsche
behandeln?»
Hiiilfe!!!
Während ich beinahe im Boden versinke vor Scham, nimmt Ben völlig gelassen auf dem Thonet-Stuhl Platz und gibt bereitwillig Auskunft: «Ich leide unter einer retrograden Amnesie und habe keine Ahnung, woher meine Panik vor weißen Möbeln und meine plötzliche Flugangst kommen.»
«Donnerlüttchen!», staunt Tessa und zwinkert Ben verschwörerisch zu. «So einen interessanten Fall hätte ich auch gerne mal. Also, wenn Ihnen hier nicht geholfen wird, übernehme ich gern.»
Was soll das denn jetzt werden?, schnaufe ich genervt in mich hinein. Will sie ihn mir etwa ausspannen?
«Welche Sachen braucht Mama denn sonst noch?», mische ich mich schnell ein.
«Ach so, ja.» Tessa scheint sich endlich an den eigentlichen Grund ihres Kommens zu erinnern, greift in ihre Handtasche und zieht einen Zettel heraus. «Sie hat mir eine Liste mitgegeben. Hilfst du mir beim Suchen?»
Nach einer qualvollen Viertelstunde, in der ich mit Tessa zusammen Mamas Sachen aus dem Schrank zusammensuche, rauscht sie (ohne die Brille) wieder ab, und ich wage endlich aufzuatmen.
«Entschuldige die Unterbrechung», bitte ich Ben, der es sich mittlerweile wieder auf der Couch bequem gemacht hat.
«Das war deine Tante?», wundert er sich. «Sie scheint ja …» Er stockt, als wolle er nicht unhöflich werden.
Schnell angle ich die Brille aus der Hosentasche, setze sie auf und lasse mich wieder am Schreibtisch nieder. «Ach, das willst du gar nicht wissen», behaupte ich lässig und fuchtle unterstützend mit den Händen.
Nachdenklich fixiert Ben das Gemälde hinter dem Schreibtisch. «Eigentlich schon. Ich fand sie doch sehr merkwürdig. Wie sie deinen Namen betont hat. Und was sollte diese Andeutung, dass sie mich gerne
übernehmen
würde?» Er richtet sich etwas auf und sieht mich fordernd an.
Sofort ist der Kloß in meinem Hals wieder da. Ich werde noch daran ersticken! Was sage ich ihm nur?
«Also, das war Dr. Teresa Tokay, meine Nenntante.» In meiner Not entschließe ich mich für die
geschönte
Wahrheit.«Sie ist eine enge Freundin meiner Mutter und auch eine Kollegin. Wie du vielleicht bemerkt hast, ist die Wohnung ziemlich groß, die ich zusammen mit meinem Bruder und meiner Mutter bewohne. Mama gönnt sich gerade eine Auszeit auf einer Schönheitsfarm in Dahlem.» Das Sanatorium werte ich einfach ein wenig auf. Dann hört es sich auch weniger gestört an.
«Aha», antwortet Ben. «Das finde ich nett, dass du noch mit deiner Familie zusammenwohnst.»
Ich will schon aufatmen und mich freuen, dass er weder wissen will, warum Mamas Brille auf
meinem
Schreibtisch zu finden sein soll, noch wovon sich meine Mutter erholen muss, als klarwird, dass ich mich zu früh gefreut habe.
«Aber deine Nenntante ist dann ja schon viel länger in der Psycho-Branche tätig», überlegt Ben und richtet sich komplett auf. «Da dürfte ihr ein Fall wie meiner längst mal untergekommen sein, oder?»
Gelassen zucke ich mit den Schultern. «Möglich. Aber wir sprechen natürlich nicht über unsere Patienten. Ärztliche Schweigepflicht, du verstehst?»
«Schon klar.» Ben lehnt sich wieder zurück und verschränkt die Hände hinter dem Kopf. Seiner Miene nach zu
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