Couchgeflüster
weiteres Mal bei Ben.
Es würde mich nicht wundern, wenn mein Traummann jetzt gleich aufsteht und entnervt das Sprechzimmer verlässt. Verdammt!
Doch Ben lehnt sich entspannt in seinem Stuhl zurück und mustert mich, als wäre
ich
eine telefonsüchtige Patientin und
er
der Therapeut. Augenblicklich fühle ich mich wie eine verzweifelte Laborratte, die nur noch für die Dauer dieses Gesprächs zu leben hat.
«Praxis Dr. Nitsche.»
«Ich bin es», höre ich jemanden kichern. Es ist Jeanette Krüger.
«Frau Krüger, wir sind doch erst um drei verabredet», erinnere ich sie.
«Deswegen rufe ich ja an. Ich werde es wohl nicht schaffen.» Sie schnauft, als wäre sie die Treppen auf den Fernsehturm hochgestiegen. «Ich befinde mich im KaDeWe und habe etwas gefunden, wonach ich schon ewig suche. Und ich muss jetzt dringend … Ich melde mich wieder, Frau Doktor.»
Bevor ich etwas erwidern kann, ist die Verbindung unterbrochen.
Verwundert über Jeanette Krügers sonderbares Verhalten, lege ich auf, dann schalte ich den Anrufbeantworter an. Noch mehr ungebetene Anrufe kann ich heute nicht gebrauchen. Es wird schon niemanden in die totale Depression stürzen, wenn er sein Anliegen aufs Band sprechen muss.
Jedenfalls bleibt mir jetzt durch Jeanettes Absage massig Zeit, bis ich zum Unterricht muss. Zeit, die ich doch gut mit Ben verbringen könnte!
Moment mal … Jeanettes Shoppingtour bringt mich auf eine Idee, wie ich Ben auf legale Weise therapieren kann. Die Methode ist vielleicht etwas unorthodox, aber wenn es klappt, ist er geheilt.
«Ich würde gerne etwas ausprobieren, Ben», erkläre ich und sehe ihn eindringlich an. «Allerdings müssen wir dazu die Praxis verlassen.»
12
«Benutzt du normalerweise den Lift oder die Treppe?», frage ich Ben, als wir die Wohnung verlassen.
«Solange mir die Puste nicht ausgeht, immer nur zu Fuß», antwortet er.
«Du bist aber nicht zufällig mal in einem Aufzug stecken geblieben?» Es ist eine Frage ins Blaue.
«Woher weißt du?» Die Verblüffung ist Ben deutlich anzuhören.
«Ach, ich hing selbst mal zwischen zwei Etagen fest und bevorzuge seither ebenfalls die Treppe», erkläre ich, und mir wird ganz warm ums Herz. Schon wieder eine Gemeinsamkeit!
«Wohin entführst du mich denn?», fragt Ben, als wir die Treppen runtersteigen.
«Nur Geduld, wir gehen zur U-Bahn , fahren mit der U3 in Richtung Wittenbergplatz und besuchen dann ein Kaufhaus.»
Neugierig neigt sich Ben zu mir und sieht mich mit seinen grünen Augen so durchdringend an, als habe ich ihm etwas Unanständiges vorgeschlagen.
Errötend fahre ich mit der Hand über meinen Therapeutinnenhaarknoten. «Also, es ist eine Art … eine Art Verhaltenstherapie», stottere ich. «Dabei dringt man schneller an den Kern eines Problems, verstehst du?»
«Verhaltenstherapie», wiederholt Ben und streicht sichebenfalls durchs Haar. Die Geste ist nach den internationalen Liebesregeln ein Zeichen für gegenseitige Gefühle, das habe ich mal in einer Frauenzeitschrift gelesen. «Hört sich interessant an», fügt er noch hinzu. «Und welches meiner Probleme möchtest du zuerst angehen?»
«Das wird nicht verraten, es könnte dich beeinflussen», erkläre ich in energisch-freundlichem Ton und wundere mich einmal mehr darüber, woher ich die Kühnheit zu derartigen Behauptungen nehme.
Als wir wenig später in der U-Bahn sitzen, blickt Ben nachdenklich in die Dunkelheit des U-Bahn -Tunnels. Er wirkt ein wenig misstrauisch.
«Keine Bange, es ist nichts Gefährliches», beruhige ich ihn und lächle aufmunternd.
Ben zieht die Augenbrauen hoch, als wäre ihm die ganze Aktion tatsächlich nicht geheuer. «Ich bin sehr gespannt, was passiert, wenn du mein Verhalten änderst», behauptet er dann plötzlich. Und das klingt nun gar nicht mehr ängstlich.
Ich bemühe mich um eine möglichst neutrale Miene. Auf keinen Fall soll Ben denken, dass ich seine zweideutigen Worte als Avance verstehe. «Wenn es funktioniert, wirst du dich danach wieder an alles erinnern», verspreche ich kühn.
«Sehr schön», seufzt Ben. «Ich bin ganz der Deine.»
Schon wieder spüre ich den Kloß im Hals. Ich weiß einfach nicht, ob mein Vorhaben den erhofften Erfolg haben wird. Aber ich wünsche mir so sehr, dass er sich wieder an mich und an unseren schönen Abend erinnert. Ich will endlich aufhören mit diesem Seelen-Striptease und wieder Nelly, die verliebte Yogalehrerin, sein.
Das Kaufhaus des Westens empfängt uns mit
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