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Couchgeflüster

Couchgeflüster

Titel: Couchgeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Becker
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dringend eine Ablenkung. Oder möchtest du lieber nach Hause?», stottere ich ratlos und überlege verzweifelt,wie ich aus dieser Nummer wieder rauskomme. Mein Herz schlägt bis zum Hals, und meine Kehle ist wie ausgetrocknet. Ich würde alles für ein Glas Wasser geben. Wer weiß, welchen Schaden so eine retrograde Amnesie noch anrichten kann.
    Wir steigen aus und stehen vor der Spielzeugabteilung. Etliche Minuten vergehen, bevor Ben wieder seine normale Gesichtsfarbe angenommen hat. Ich muss wohl ziemlich verbissen dreinschauen, denn er lächelt plötzlich und erklärt: «Gleich darfst du mich nach Hause bringen, Frau Doktor, ich will nur noch schnell einen Pandabären für Tim, meinen dreijährigen Neffen, kaufen.»
    Pandabären? Erleidet Ben etwa gerade einen Nervenzusammenbruch?
    «Ich meine, wo wir schon mal hier sind.» Er zieht mich mit sich. Es scheint ihm besserzugehen. «Wusstest du, dass Pandabären während der Paarungszeit im Handstand pinkeln, um ihr Revier zu markieren?» Seine Augen blitzen schelmisch auf. «Und das sei
endcool
, sagt mein Neffe.»
    «Pandabären pinkeln im Handstand   …» Fassungslos murmle ich vor mich hin, während ich ihm folge.
    Keine Ahnung, was ich von dieser Neffen-Story halten soll. Möglicherweise ist es ja eine Erinnerung, die da plötzlich hochkommt, oder der Bär löst etwas in ihm aus.
    Moment mal! Mir kommt eine neue Idee, die ich für meine Verhaltenstherapie nutzen könnte.
    Eilig folge ich Ben Richtung Spielwaren und beobachte, wie er auf der Suche nach den Pandas die unzähligen Verkaufstische abläuft. Unauffällig nähere ich mich den Eisbären. Ein ganzer Tisch ist voller plüschiger schneeweißer Polarbären, die natürlich alle an Knut, den armen Eisbärenim Berliner Zoo, erinnern, der von seiner Mutter verstoßen wurde und   …
    Ach du Schande!
    Mir stockt der Atem. Hat Bens Weißphobie vielleicht etwas mit seiner Mutter zu tun? Ein traumatisches Erlebnis in seiner Kindheit?
    Mein krauses Gehirn vibriert wie nach einem Starkstromschlag. Oder hatte er mal etwas mit einer älteren Frau? Ich erinnere mich an seine Bemerkung:
Ich steh nicht auf ältere Frauen
. Und die weißgekleidete Frau im Lift war ja wesentlich älter als er, das könnte also hinkommen. Meine Güte, das wäre ja   …
    Viel! Zu! Einfach!
    Außerdem hätte Ben die Probleme dann ja auch schon vor der Amnesie gehabt. Mütter können außerdem nicht an allem schuld sein.
    Ich schnappe mir einen der Knuts und begebe mich zu Ben, der einige Meter weiter mit großen und kleinen Plüschpandas hantiert und sich ganz offensichtlich amüsiert. Den Eisbären verstecke ich vorerst hinter meinem Rücken.
    «Welchen soll ich nehmen?» Er hält mir zwei schwarzweiße Plüschtiere in unterschiedlichen Größen entgegen.
    Statt auf seine Frage einzugehen, ziehe ich Knut hinter meinem Rücken hervor. «Und wie findest du den?»
    Ben wirft einen flüchtigen Blick darauf. «Auch süß. Aber mein Neffe will unbedingt einen Panda.»
    «Aber du hast ihn gar nicht richtig angesehen», versuche ich es nochmal.
    «Na, der sieht aus wie Knut», entgegnet er, ohne mich oder den Bären noch eines Blickes zu würdigen.
    «Aber er ist WEISS!», betone ich mit Nachdruck.
    Irritiert wendet sich Ben nun doch zu mir. «Das sind Eisbären doch immer, oder nicht?»
    Ich versuche es noch einmal. «WEISS! WEISS! WEISS!», zische ich energisch und halte ihm den Bären direkt vor die Nase.
    Und endlich scheint Ben zu begreifen. Er starrt den Polarbären an – bleibt aber völlig ruhig. Kein hektisches Atmen, kein roter Kopf, kein Schweiß auf der Stirn. Nichts! Nicht mal ein nervöses Augenzucken.
    «Wieso reagierst du nicht auf weiße Plüschtiere?», frage ich atemlos, weil ich ahne, dass die Ursache seiner Weißphobie tatsächlich eine Frau ist.
    Einen Moment scheint Ben genauso verwirrt wie ich. Dann nimmt er mir den Bären ab, drückt ihn fest an sich und vergräbt sein Gesicht in dem Plüschfell, als könne man Farbe inhalieren.
    «Nun   …», murmle ich und streiche mir nachdenklich über meinen Haarknoten. (Die Geste wird langsam zu einer Phobie!) Aber ich muss sofort etwas Tiefgründiges – am besten Tiefenpsychologisches – von mir geben, schließlich bin ich seine Therapeutin. «Es könnte sein, dass du   … ähm, dass du nur auf weißgekleidete Frauen reagierst.»
    Zugegeben, das ist ziemlich unrealistisch. Aber in meiner Verzweiflung fällt mir kein anderes Argument ein. Einfach nur stumm dastehen kann ich

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