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Couchgeflüster

Couchgeflüster

Titel: Couchgeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Becker
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hab’s nicht gern, wenn mir einer auf dem Kopf rumtrampelt», erklärt er beiläufig, als er die Wohnungstür aufschließt. «Tritt ein   … Du bist mein erster Besucher.»
    Ohne Flur oder Vorraum stehen wir direkt in einem weitläufigen, lichtdurchfluteten Loft, dessen gläserne Dachkonstruktion von vier Säulen getragen wird. Wahllos über den Raum verteilt stehen Möbel und Umzugskartons und verraten, dass Ben hier noch nicht lange wohnt. Nur die High-Tech-Küchenzeile aus mattem Edelstahl wirkt benutzt. Davor warten auf einem langen Arbeitstisch diverse Pfannen,Teller und Gläser darauf, einsortiert zu werden. Neben einer Saftpresse häufen sich Orangen in einer flachen Schale. Und aus dem Abfalleimer lugt ein Pizzakarton.
    «Du bist erst vor kurzem umgezogen, oder?», stelle ich fest und spüre ein freudiges Kribbeln im Magen. Schon wieder eine Gemeinsamkeit.
    «Vor knapp zwei Wochen», bestätigt Ben.
    «Auch wenn es neugierig erscheinen mag, aber als deine Therapeutin muss ich dich einfach fragen: Wo hast du vorher gewohnt? Der Umzug könnte im Zusammenhang mit der Amnesie stehen und ein wichtiger Aspekt sein.»
    «Oldenburger Straße, in Moabit», berichtet Ben unbefangen.
    Spontan möchte ich ihm gestehen, dass wir da noch Nachbarn waren, und ihm von unserem Supermarkt-Treffen erzählen. Doch ich beherrsche mich. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es gefährlich wäre, seine Gedächtnislücken mit meinem Wissen zu füllen. Warum sollte er mir auch glauben? Er würde doch nur skeptisch werden, warum ich nicht sofort etwas gesagt habe, oder?
    Nein. Er muss sich selbst erinnern.
    Während Ben die Einkaufstüte mit den Plüschtieren fallen lässt und sich hinter den Küchentresen begibt, sehe ich mich unauffällig um. Ganz so, wie eine normale Besucherin es tun würde. Doch Briefe, Fotos oder Ähnliches kann ich leider nicht entdecken.
    «Etwas zu trinken?» Ben öffnet eine glänzende Kühlschranktür. Der Innenraum ist prall gefüllt mit lauter kleinen Flaschen. «Ein Smoothie gefällig?» Er strahlt wie ein Getränkeverkäufer, der die größte Auswahl der Stadt anbieten kann.
    «Das sieht ja aus, als wärst du süchtig nach dem Zeug», entfährt es mir überrascht. «Was natürlich eine äußerst gesunde Sucht wäre», füge ich vorsichtshalber noch hinzu.
    «Ich teste nur verschiedene Geschmacksrichtungen von unterschiedlichen Marken für meine Firma», erklärt Ben.
    «Aha», murmle ich zufrieden. Er verdient sein Geld also mit dem Verkauf von Getränken.
    Nun, Getränkehändler ist ein äußerst ehrenwerter Beruf. Jedenfalls besser als Drogenhändler, denke ich. Und offensichtlich verdient man in der Getränkebranche eine Menge Geld. Auch wenn das noch lange nicht erklärt, warum Ben ständig so viel Bargeld mit sich rumschleppt.
    «Cocosdream, Grüne Wiese oder Prinzessinnen-Cocktail?»
    «Wie bitte?» Ich sehe Ben mit großen Augen an.
    «Diese Geschmacksrichtungen kann ich dir anbieten.» Noch immer hält er die Kühlschranktür offen und deutet auf sein Angebot.
    «Oh   … ähm, Cocosdream klingt lecker.» Ein Blick auf die Uhr verrät mir allerdings, dass ich mich ungeheuer beeilen muss, um noch rechtzeitig zur ersten Yogastunde am Nachmittag zu kommen. «Aber ich muss jetzt leider los.»
    Schnell schreibe ich Ben noch meine Handynummer auf und erkläre mein überstürztes Aufbrechen. «Ich muss dringend los zu einer   … ähm, zu einem anderen Patienten. Aber wenn du Schwierigkeiten hast, ruf mich jederzeit an. Sonst sehen wir uns morgen zur nächsten Sitzung, ja?»
    Ich muss mich jetzt echt sputen. Im Gegensatz zu meinem reichen Getränkehändler kann ich mir nämlich kein Taxi leisten   …

13
    Vollkommen aus der Puste erreiche ich das Studio. An der Tür finde ich einen Zettel, auf den jemand mit blutrotem Lippenstift geschrieben hat:
    Wann gibt es hier eigentlich mal Unterrichtsstunden?
    Mist! Ein Blick auf Mamas Armbanduhr verrät mir, dass ich mich trotz der Hetzerei fünfunddreißig Minuten verspätet habe. Kein Wunder, dass ich allein vor dem Studio stehe.
    Bis zur nächsten Stunde bleibt immerhin noch Zeit für einen Kopfstand. Und den habe ich so was von nötig! Denn inzwischen ist nichts mehr so einfach, wie ich mir das anfangs ausgemalt habe. Alles ist total kompliziert und verfahren.
    Bens Flugangst und seine Weißphobie sind mir nach wie vor rätselhaft. Und meine vermeintliche Verhaltenstherapie hat uns nicht einen Millimeter weitergebracht. Wirklich schade, dass ich in Bens

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