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Couchgeflüster

Couchgeflüster

Titel: Couchgeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Becker
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… ob du in Zukunft nicht mit der Bahn fahren könntest, statt zu fliegen.»
    Mit dieser Notlüge kann ich hoffentlich davon ablenken, dass mir zum Heulen zumute ist.
    «Mit der Bahn?» Ben mustert mich überrascht.
    Ich zucke bemüht gelassen mit den Schultern. «Soweit ich weiß, dauert eine Fahrt nach München keine sechs Stunden. Rechnet man die Strecke zum Flughafen, das Einchecken und den Weg ins Hotel zur Flugzeit hinzu, dann ist man mit dem Zug wahrscheinlich genauso schnell.»
    «Vielleicht hast du recht. Allein bei der Vorstellung, wieder in ein Flugzeug steigen zu müssen, gerate ich ins Schwitzen. Du bringst mich wirklich auf den richtigen Weg. Ich bin wirklich froh, dich als meine Therapeutin zu haben.»
    Durchatmen, sage ich mir, du musst der Wahrheit ins Auge sehen, Nelly Nitsche. Für deinen Traummann wirst du immer nur die Therapeutin sein.
     
    Als wir uns um Mitternacht ein Taxi teilen, würde ich mich am liebsten sofort in mein Bett verkriechen. Das Blöde ist nur, dass ich mich ja bei meiner Mutter absetzen lassen muss. Schließlich denkt Ben, dass ich dort arbeite und wohne.
    Das Taxi hält in der Fasanenstraße, und Ben bittet den Fahrer, kurz zu warten, er wolle mich noch nach oben bringen.
    Ob Fortuna in letzter Sekunde doch noch aufwacht?, wage ich zu hoffen, während ein riesiger Schwarm Schmetterlinge in meinem Magen aufflattert.
    «Wollen wir das Schicksal herausfordern?», flüstere ich Ben wagemutig zu, als wir das Treppenhaus betreten.
    «Und was tun?», entgegnet er launig.
    «Den Aufzug nehmen!»
    «Aha», grinst Ben. «Und zu therapeutischen Zwecken stecken bleiben?»
    «Na, hoffentlich nicht», antworte ich und füge in Gedanken hinzu: Jedenfalls nicht nur zu therapeutischen Zwecken.
    Inständig flehe ich die Glücksgöttin an, sie möge dieses altertümliche Monstrum mindestens für eine Stunde zwischen den Etagen festhalten und keine Nachbarn auftauchen lassen, die uns befreien könnten.
    «Na, dann nix wie rein ins nächtliche Abenteuer!» Ben wirkt übermütig wie ein kleiner Junge. Er schließt die Tür und drückt den Knopf zur dritten Etage.
    Der Lift ruckelt ein bisschen, dann setzt er sich in Bewegung. Entgegen meinen Stoßgebeten hält dieses unzuverlässige Ding dann ohne weitere Mucken ganz vorschriftsmäßig im dritten Stockwerk.
    «Tja, einen Versuch war’s wert», stellt Ben mit ernster Miene fest und hält mir die Tür auf.
    «Da wären wir», brumme ich enttäuscht und krame in meiner Tasche nach dem Wohnungsschlüssel. Wenn mir nichts Besseres mehr einfällt, werde ich wohl tatsächlich reingehen müssen. «Hatten wir eigentlich schon die nächste Sitzung vereinbart?», frage ich leise.
    «Ich rufe dich an», sagt Ben, als wäre das nur das Ende einer Therapiesitzung.
    Ich ergreife meine letzte Chance und wiederhole die Abschiedsworte unseres ersten Abends. «Ist das nicht der Spruch, den man einer Frau sagt, die man garantiert
nicht
wiedersehen will?»
    «Keine Ahnung», lacht Ben völlig unbedarft. «Du weißt doch, ich leide unter Amnesie.»

17
    Wenig später lehne ich an der Innenseite der Tür und kann meine Tränen nicht mehr zurückhalten.
    Ohne das Licht anzuknipsen, lasse ich mich zu Boden sinken, vergrabe mein Gesicht zwischen meinen Knien und schluchze hemmungslos.
    Es ist zum Verzweifeln! Dieser Abend war der endgültige Beweis: Ben wird sich nie, nie, nie an mich erinnern. Ich werde für immer seine Therapeutin bleiben müssen. Es sei denn, ich gebe mich zu erkennen und gehe das Risiko ein, dass er sich belogen und betrogen fühlt.
    Warum hat mein Plan nicht wenigstens ein kleines bisschen funktioniert? Ben hätte sich zumindest an meinen Namen erinnern können! Hat Nelly ihm denn wirklich gar nichts bedeutet? Was soll ich bloß tun?
    Ich wische mir die Tränen aus den Augen und krame nach meinem Handy, um nachzusehen, ob mir Britta eine Nachricht hinterlassen hat. Doch auch auf meine beste Freundin ist kein Verlass mehr.
    In der Wohnung ist es dunkel und abgesehen von meinem Schluchzen vollkommen still. Phillip scheint entweder nicht da zu sein oder schon zu schlafen. Aber hierbleiben will ich ohnehin nicht.
    Ich atme tief durch und will gerade aufstehen, als plötzlich ein Paar nackter Füße vor mir steht. Überrascht blicke ich auf – und sofort wieder weg.
    Mein Bruder hat außer einem schwarzen Minitanga und einer Pilotenmütze auf dem Kopf nichts an.
    «Was willst du denn hier?», herrscht er mich an und stemmt in Feldwebelmanier seine

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