Couchgeflüster
schmächtigen Arme in die ebenso schmächtigen Hüften. Sport findet bei meinem Bruder nur vor dem Fernseher statt. Seltsamerweise ist sein Gesicht jetzt aber so rot, als habe er sich ausnahmsweise doch zu ein paar Liegestützen hinreißen lassen.
Ohne zu antworten, seufze ich erneut auf und wühle in meiner Tasche nach einem Taschentuch.
«Huhu!» In dem Moment erklingt eine helle Frauenstimme aus seinem Schlafzimmer. «Wo bist du, mein Kapitän? Ich hab die Sprühsahne gefunden!»
«Äh … Ich bin sofort bei dir», flötet Phillip über seine Schulter und zischt mir dann zu: «Los, verzieh dich, aber dalli, dalli. Ich habe Besuch, du störst!»
Doch schon steht der
Besuch
neben uns – nackt und in knielangen schwarzen Lackstiefeln. Lediglich ihr üppiger Busen wird von hüftlangen blonden Haaren bedeckt.
«Wer ist das denn?», piepst die wohlgeformte blonde Venus und mustert mich befremdet.
«Niemand», brummt Phillip ungehalten.
Niemand?
Ich bin nicht niemand!
Ich bin nur unendlich traurig und mutlos, weil ich hoffnungslos in einen Mann verliebt bin, der mich vergessen hat und den ich wahrscheinlich für immer anlügen muss. Und nun verleugnet mich auch noch mein Bruder, statt mich zu trösten und zu fragen, warum ich hier mitten in der Nacht verheult auf dem Flur hocke?
In mir ballt sich die angestaute Enttäuschung des gescheitertenAbends zu einem fürchterlichen Sommernachtsgewitter, das sich gleich auf den Kapitän in seiner lächerlichen schwarzen Unterhose entladen wird.
Na, der kann sich auf etwas gefasst machen! Ich werde mich rächen für all die Gemeinheiten, die er mir ständig an den Kopf schmeißt.
Langsam rapple ich mich hoch.
«Aber Schatz», klage ich mit tränenverhangenem Blick. «Was hast du denn? Ich bin es doch, deine Verlobte!» Vorwurfsvoll sehe ich Phillip an und schluchze erneut theatralisch auf. Ha! Damit hat er nicht gerechnet. Seine Begleiterin offensichtlich auch nicht.
«Du bist verlobt!?», kreischt die Venus und drückt vor Schreck auf die Sprühsahne, die sich daraufhin in einer Kringelkaskade auf dem glänzenden Parkett verteilt.
«Blödsinn!», zischt Phillip und funkelt mich zornig an. «Das ist nur meine bescheuerte Schwester, die saudumm daherquatscht.»
Der panische Blick seiner Gespielin wandert von meiner dicken, roten Krauswolle zu Phillips strohblonden Haarstoppeln, die im Nacken unter der Pilotenmütze hervorlugen, und glaubt ihm natürlich kein Wort.
«Na klar, und die Erde ist eine Scheibe», empört sie sich. «Wenn du mit der da verwandt bist, dann … dann …» Sie fuchtelt wild mit der Sprühsahne vor Phillips Gesicht herum. «Dann bin ich die Tochter von Barack Obama.»
«Ich schwöre, Mäuschen, das ist nur meine Schwester!» Theatralisch hebt Phillip die rechte Hand zum Schwur und legt die andere auf die Brust. Die Geste wirkt in Tangas ziemlich grotesk. «Das ist meine Schwester, Nelly Nitsche.»
Das Mäuschen zieht die Stupsnase kraus und überlegt.«Und weshalb hat deine
Schwester
dann einen Schlüssel zu deiner Wohnung?»
«Ach so», schalte ich mich ein, «du hast ihr erzählt, das hier wäre deine Wohnung? Angeber!»
Aber auch das ist typisch Phillip. Um Frauen zu imponieren, war er schon immer zu allem bereit. Mit dreizehn hat er mal behauptet, den Führerschein zu besitzen, und war kurz davor, sich Papas Wagen auszuleihen. Den Schlüssel hatte er schon gemopst.
«Nein, sie hat …», stottert mein Bruder. «Ich meine, ich lebe hier …»
Jetzt bin ich aber gespannt! Dass er hier mit seiner Mutter lebt, die aber gerade im Sanatorium weilt, kann er seinem nächtlichen Besuch natürlich nicht gestehen. Das würde sich ja nach Mamasöhnchen anhören.
Ich wische mir die Tränen aus dem Gesicht und ziehe trotzig die Nase hoch.
«Ich bin wirklich seine Verlobte und lebe hier mit ihm und seiner Mutter», behaupte ich und würge meinem Bruder noch eins rein. «Wir wollen nämlich bald heiraten.»
Angewidert verzieht das blonde Mäuschen den üppigen Mund, lässt die Sprühsahne fallen und dreht sich auf ihren Absätzen um. Mit wehenden Haaren rauscht sie den Flur entlang, als wäre es ein Catwalk.
«Bist du jetzt komplett übergeschnappt?», schreit Phillip mich an. Sein Gesicht glüht vor Zorn, und seine hellblauen Augen färben sich gefährlich dunkel. «Du klärst das sofort auf!», fordert er und zeigt mit ausgestrecktem Arm in Mäuschens Richtung. «Los!»
Kämpferisch verschränke ich die Arme vor der Brust.
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