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Couchgeflüster

Couchgeflüster

Titel: Couchgeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Becker
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mit Kuli notiert.
    Augenblicklich fühle ich mich, als würde mich jemand würgen. Ob daher der Begriff Galgenfrist stammt?
    Niedergeschlagen suche ich auf dem Heimweg nach einer Lösung. Ich brauche dringend eine zündende Idee. Irgendetwas, das die sich anbahnende Katastrophe aufhält.
    In meiner Verzweiflung fällt mir nur Britta ein. Sie muss mir helfen! Sie weiß bestimmt Rat. Britta ist eine Unternehmerin mit massenhaft genialen Ideen, sonst wäre sie ja nicht so erfolgreich.
    Doch meine Freundin kommt an diesem Abend nicht nach Hause. Selbst auf ihrem BlackBerry ist sie nicht zu erreichen.
    Ich hinterlasse mehrere Panikrufe auf ihrer Mailbox und bitte sie, dringend zurückzurufen. Jetzt kann mir nur noch eines helfen: auf den Kopf stellen und auf ein Wunder hoffen.

16
    Während der letzten Yogastunde am Samstagabend lasse ich schon mal ein paar Glücksübungen einfließen. Eine davon ist «Die Heldin», die Mut und Entschlossenheit schenkt. Beides brauche ich mehr denn je. Heute Abend findet schließlich das Treffen mit Ben statt.
    Ich kann es kaum erwarten, mit ihm im
Mädchen ohne Abitur
zu sitzen. Außerdem bin ich gespannt, wie sein Flug verlaufen ist. Aber wenn mir nicht bald etwas einfällt, wie ich Mama davon abhalten kann, am Montag ihre Praxis wieder zu öffnen, könnte es das letzte Treffen mit ihm sein.
    «Ausatmen   … Aus dem aufrechten Stand mit dem rechten Bein einen Schritt nach vorne   … linken Fuß etwas ausdrehen   … rechtes Bein beugen   …»
    Ich könnte Mama einen Wellnessurlaub zum Geburtstag schenken und sie für weitere ein, zwei Wochen abschieben.
    «Schultern nach hinten   … Arme zur Seite und anwinkeln   … Daumen und Zeigefinger berühren sich   … tief einatmen   … Brustbein hebt sich   … ausatmen   …»
    Beim nächsten Atemzug erinnere ich mich allerdings daran, dass Mama erst im Oktober Geburtstag hat. Außerdem hätte ich gar kein Geld, so einen Luxusurlaub zu finanzieren.
    Gegen Ende der Stunde verschränke ich die Beine zum Schneidersitz und leite mit sanfter Stimme die Mini-Meditation ein:
    «Augen schließen   … einatmen   … langsam bis vier zählen   … ausatmen auf acht   …»
    Und wenn ich Mama einfach die Wahrheit sage? Ich könnte behaupten, Ben Reuther wollte sich partout nicht abweisen lassen und nur mit jemandem reden. Vielleicht glaubt sie mir ja.
    «Der Körper wird leicht   … wir sind im Einklang mit uns selbst   … tief durch die Nase atmen   … um uns herum ist nichts als heller Sonnenschein   … wir lassen unsere Gedanken fließen, halten sie nicht fest   …»
    Und dann könnte ich aufs Ganze gehen und behaupten, dass sich meine Meinung zum Thema Psychologie und Therapie durch die Gespräche mit Ben geändert hätte. Ich würde nun doch studieren wollen. Das müsste Mama doch milde stimmen.
    «Ausatmen   … Augen öffnen   … aus dem Schneidersitz lösen und aufstehen.» Ich beende die Yogastunde mit einer angedeuteten Verbeugung. «Namaste.»
    «Namaste», antwortet die kleine Gruppe und verbeugt sich ebenfalls. Aber keine der fünf Frauen verlässt den Raum, stattdessen blicken mich alle erwartungsvoll an.
    «Danke schön», sage ich und lächle freundlich in die Runde. Doch meine Schülerinnen starren mich weiterhin so seltsam an.
    «Kein philosophischer Satz heute?», fragt eine Frau enttäuscht.
    «Oh, tut mir leid, das hätte ich tatsächlich fast vergessen   … Ist mir noch nie passiert», gestehe ich verlegen ein und verkünde: «Nur wer gegen den Strom schwimmt, gelangt an die Quelle.»
    Im Vorbeigehen höre ich, wie eine Schülerin mit ihrerFreundin tuschelt. «Gegen den Strom schwimmen kann aber ganz schön anstrengend sein.»
    Tja, da muss ich ihr leider recht geben.
     
    Kribbelig erwarte ich Ben um halb neun vor der Tür meines Studios.
    Ich setze meine ganzen Hoffnungen in diesen Abend. Es darf einfach nichts schiefgehen! Wichtig sind die Örtlichkeiten, die Umstände und natürlich meine optische Rückverwandlung in Nelly.
    Wie an unserem ersten Abend trage ich das Sommerkleid mit den Spaghettiträgern und habe das rosa Strickjäckchen um meine Hüften geknotet. Mein Kräuselhaar steht ungebändigt vom Kopf ab, und ich dufte nach
Daisy
. Brille trage ich natürlich auch keine.
    Als Ben den Innenhof betritt und aufs Studio zu eilt, fühle ich mein Herz schneller schlagen. Vor Aufregung schießt mir das Blut ins Gesicht.
    «Hi, Ella», begrüßt er mich, streckt mir die Hand entgegen und

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