Couchgeflüster
wie traurig ich war, dass er zu unserer zweiten Verabredung nicht aufgetauchtist, und wie überrascht ich war, ihn plötzlich vor der Tür meiner Mutter zu sehen.
Schweigend hört sich Ben die Geschichte an, wie ich zu Ella Nitsche wurde.
«Dann bist du also gar keine Therapeutin?», fragt er schließlich.
«Nein», erwidere ich kleinlaut.
«Aber wieso hast du das Missverständnis nicht sofort aufgeklärt und mir gesagt, wer du wirklich bist?», fragt er, und seine Stimme klingt fast ein wenig vorwurfsvoll. «Möglicherweise hätte das meinem Gedächtnis doch schneller auf die Sprünge geholfen.»
«Ja, vielleicht, aber ich war einfach nur sprachlos, als du plötzlich vor mir standest. Bis zu jenem Tag kannte ich ja nur deinen Vornamen. Im ersten, verwirrenden Moment dachte ich sogar, du hättest mich gesucht … Total abwegig, ich weiß. Aber dann wurde mir klar, dass du der geheimnisvolle Patient «Reuther» bist, unter Amnesie leidest und die Yogalehrerin Nelly sowie unseren gemeinsamen Abend vergessen hast. Ich wollte dir unbedingt helfen. Und auf gar keinen Fall wollte ich dich wieder verlieren.»
«Und darüber bin ich sehr froh», erklärt Ben so nah an meinem Ohr, dass es kitzelt.
«Hast du die Schneekönigin nach diesem Flecken-Drama eigentlich nochmal wiedergesehen?», frage ich ernsthaft besorgt. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich meinen Traummann zurückhabe.
«Bis jetzt nicht. Und ich bin auch nicht besonders scharf darauf», stöhnt Ben gequält. «Meine Geschäftsreisen werde ich vorerst mit der Bahn erledigen, wie du mir geraten hast. Dann kann mir eigentlich nichts passieren.»
«Solange sie nicht auf Zugbegleiterin umschult», flachse ich.
Ben greift meinen launigen Ton auf. «Aha, sonst müsstest du mich noch weiter therapieren?»
«Ach was, du bist doch längst geheilt», verbessere ich mit gespielter Strenge. «Zumindest kannst du dich an uns erinnern, und nur das zählt.»
«Du hast dich als Therapeutin jedenfalls sehr gut gemacht.»
«Tja, weißt du, ich stelle mir ein Gehirn immer als Schachtel vor, in der die Gedanken und Erlebnisse je nach Wichtigkeit geordnet sind.» Keine Ahnung, woher ich diesen Vergleich gerade nehme, aber Ben gegenüber habe ich keine Scheu, meine krausen Ideen auszubreiten. «Alles Unwichtige wird ganz unten einsortiert, also verdrängt und vom Wichtigen überdeckt. Und besonders unangenehme oder eben traumatische Erlebnisse –»
«Ach,
Ella, meine Lieblingstherapeutin
», seufzt Ben und küsst mich sanft aufs Ohr. «Nelly sollte wirklich umsatteln. Denn von einer rothaarigen Expertin mit krausem Gehirn therapiert zu werden ist wirklich eine First-Class-Seelenmassage mit Spaßeinlagen.»
Ich knuffe ihn liebevoll in die Seite. «Schon möglich», gebe ich geschmeichelt zu. «Aber ich habe bereits einen tollen Beruf, den ich sehr liebe.»
«War ja auch nur so eine Idee …» Ben drückt mich fest an sich. «Du wärst einfach eine hervorragende Therapeutin, dafür verwette ich meine Firma.»
«Den Getränkehandel?»
Ben zieht die Stirn kraus.
«Ach, komm schon», necke ich ihn, «wer seinen Kühlschrankmit Smoothies vollstopft, um das Zeug für die Kundschaft zu testen, der liebt seinen Beruf über alles, wage ich mal zu behaupten.»
«Du glaubst also, dass ich ein leidenschaftlicher Typ bin, der Fruchtsaft verkauft?», fragt er irritiert.
«Ein leidenschaftlicher Getränkehändler», korrigiere ich.
«Auf jeden Fall ein leidenschaftlicher Typ.»
Ben rollt sich auf mich und beendet die Unterhaltung mit einem langen Kuss.
21
In der folgenden Woche sitze ich wieder am Schreibtisch von Dr. Ella Nitsche. Tessa hat es zwar tatsächlich geschafft, Mama noch zwei Wochen Sanatorium zu
verschreiben
. Also bin ich quitt mit Phillip. Der Telefondienst in der Praxis bleibt aber dennoch an mir hängen.
Ben ist geschäftlich unterwegs, und so tauschen wir im Moment nur am Telefon romantische Liebesschwüre aus.
Britta war ganz aus dem Häuschen, als sie von den Neuigkeiten erfuhr. Sie hat mich umarmt und darauf bestanden, dass wir mein Glück mit teurem Schampus begießen.
Zwischen den Telefonaten mit Ben und den Patienten schlürfe ich im Moment aber vor allem Kaffee, mein neues Lieblingsgetränk, und blättere in Mamas psychologischen Fachbüchern. Die Materie erscheint mir gar nicht mehr so langweilig, wie ich bis vor kurzem noch annahm. Theoretisch wäre ein Psychologiestudium also vielleicht gar nicht so –
Ich schrecke hoch, als
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