Couchgeflüster
engagieren. «Sie is aber keene Schauspielerin, wenn Se det wissen wollen.»
«Dann ist sie einfach nur eine Freundin von Ihnen?», hake ich nach und muss mich sehr zusammenreißen, um ihn nicht zu sehr zu bedrängen. Schließlich hat er keinen Grund, Einzelheiten über private Fotos zu verraten.
«Nee. Sie hat mir engagiert und –»
«Engagiert?» Mann, das wird ja immer bunter.
«Also det war so», erklärt er bereitwillig. «Ick hab ihr uff ’ner Fete bei Desiree Engel jetroffen und erzählt, dat ick beim Film arbeite. Weil se mir immer so komisch anjeglotzt hat. Als würde sie mich irgendwoher kennen. Uff einmal wollte se, det ick ihr eenen Jefallen tu. Sie würde och ’ne Kleinigkeit springenlassen.»
Aha! Plötzlich ahne ich, was Vera mit den Fotos beabsichtigte. Ob sie Fritz nur mit Geld geködert oder ihm auch etwas über ihre schändlichen Motive verraten hat?
«Sie hat also Bilder von Ihnen gemacht?», hake ich nach. «Hat sie Ihnen denn auch erklärt, wofür?»
«Nee, aber mein Typ is die sowieso nich. Zu alt und dann … na ja, die ist janz schön bekloppt.»
«Ach, tatsächlich?» Ich unterdrücke ein gehässiges Lachen und versuche, Fritz Möller zum Weiterreden zu motivieren.
«Na, wer in eener komplett weißen Wohnung lebt, der iss doch och komplett überjeschnappt, oder? So wat hab icküberhaupt noch nie jesehen. Allet weiß und nich ein Staubkorn zu sehen. Ick hab mir jefühlt wie in ’ner antiseptischen Kühltruhe», berichtet er bereitwillig und prustet noch ein «Brrr» in den Hörer.
Nun kann ich ein befreites Lachen nicht mehr unterdrücken. «Danke, Fritz, Sie haben mir wirklich sehr geholfen.»
«Schon jut. Aber wat iss nu mit der Filmrolle?», nörgelt er ungehalten.
«Oh … Darüber weiß meine … ähm, meine Kollegin besser Bescheid», wimmle ich ihn ab und beende das Gespräch. Britta wird sich schon rausreden können.
Puh! Diese Vera muss ja wirklich komplett durchgeknallt sein. Vielleicht sollte sie sich in therapeutische Behandlung begeben. Einen Typen für diese Fotos zu engagieren, um … Ja, warum eigentlich? Sie konnte doch nichts von Bens Amnesie wissen, oder? Ist es also ein Fall von Geltungssucht? Wollte sie mit den Bildern einfach nur angeben? Und als sie gemerkt hat, dass Ben … nun, dass er Probleme mit seiner Erinnerung hat … Wollte sie da die Gelegenheit ergreifen und vortäuschen, sie wären tatsächlich ein Paar?
Ob ich jemals eine Antwort auf diese Frage erhalte?
Hauptsache, Ben hat mich nicht belogen! Na ja, ein kleines bisschen hat er das schon getan. Aber das verzeihe ich ihm. Wahrscheinlich wollte er wirklich auf den richtigen Moment warten, um mir von seiner Fitnesskette zu berichten. Schließlich kannten wir uns ja noch nicht, als er seinen Sportclub in Moabit eröffnet hat.
Aber wo bleibt er denn eigentlich?
Sofort weicht mein Glücksgefühl wieder der bangen Frage, wo er steckt. Es ist bereits halb sechs. Er müsste doch längst hier sein.
Ich versuche, ihn telefonisch zu erreichen. Doch eine Computerstimme verrät mir, dass der Anschluss zurzeit nicht erreichbar sei. Ob ihm etwas zugestoßen ist?
Ungeduldig drücke ich auf Wahlwiederholung.
Nichts.
Nach unzähligen, erfolglosen Versuchen bin ich schweißgebadet. Inzwischen ist es fast sechs, und immer noch gibt es kein Lebenszeichen von Ben. In meiner Panik sehe ich ihn blutend auf der Straße liegen und vergeblich nach Hilfe rufen. Dann taucht vor meinem geistigen Auge eine Szene auf, wie diese Wahnsinnige ihn in ihrer Eiswohnung gefangen hält.
Aus lauter Verzweiflung greife ich nach Mamas Notfall-Scotch, den sie in ihrem Schreibtisch verwahrt. Das erste Glas trinke ich in einem Zug aus. Als ich mir ein zweites genehmige, klingelt es an der Tür.
Ben!
Mit dem Glas in der Hand sause ich den Flur entlang und reiße die Tür auf.
«Endlich!», rufe ich erfreut, doch mein Strahlen erlischt sofort.
«Nelly?» Es ist Tante Tessa, die vor der Tür steht.
«Äh … Was machst du denn hier?», stottere ich verblüfft.
«Ich habe Ella aus dem Sanatorium geholt», erklärt sie verwundert und lässt Mamas Reisetasche fallen.
Mist. Über der ganzen Aufregung hab ich tatsächlich vergessen, dass Mama heute zurückkommt.
«Wo ist sie denn?», frage ich panisch.
«Sie kümmert sich um diesen armen Mann, der im Fahrstuhl eingeschlossen ist.»
Ben!
«Sie versucht, ihn nach allen Regeln der Therapeutenkunst zu beruhigen», fährt Tessa fort. «Sie hat was von
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