Couchgeflüster
ein ganz miserabler Schreiber bin. Aber ich war so verzweifelt und wusste nicht, wie ich dich erreichen kann. Na ja … und da schien mir ein Brief die letzte Möglichkeit zu sein.»
Seine Nervosität berührt mich. Und plötzlich ist es gar nicht mehr leicht, cool zu bleiben und ihm nicht sofort zu gestehen, dass es mir im Grunde genauso ergeht.
«Ich hab mir überlegt, ob wir das nicht in einem Gespräch …»
«Wirklich?» Bens Frage folgt ein erleichterter Seufzer.
«Ja, ich meine … Wir sind doch erwachsen, und es ist kindisch, den Kontakt einfach abzubrechen, nur weil … weil vielleicht eine unglückliche Verkettung von Umständen … oder Schicksal … oder wie immer man es nennen möchte …»
Meine Güte, was rede ich denn da für einen Schwachsinn? Ein Glück, dass er mein glühendes Gesicht nicht sehen kann!
«Ähm, würde es dir heute noch passen?», frage ich schnell.
«Jederzeit, Nelly, wann und wo du möchtest.» Bens Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen.
«Auch um fünf?»
Wieder erhalte ich seine Zusage ohne die kleinste Verzögerung. «Um fünf, um sechs, jetzt sofort, wann und wo auch immer.»
«Prima. Wir wäre es dann, wenn wir uns in der Praxistreffen? Also, ähm, wenn du nichts dagegen hast», füge ich noch höflich an.
«Natürlich nicht. Die Praxis ist für mich der … äh, romantischste Ort, den ich kenne … Na ja, du weißt, wie ich das meine.»
Natürlich weiß ich, worauf er anspielt. Aber so leicht will ich es ihm auch nicht machen. «Dann sehen wir uns also um fünf», verabschiede ich mich absichtlich etwas förmlich.
«Ja, bis um fünf», flüstert Ben. «Ich kann es kaum erwarten, dich wiederzusehen.
Bereits eine halbe Stunde vor der verabredeten Zeit betrete ich die Räume von Mamas Praxis und bin einem Nervenzusammenbruch gefährlich nahe. Nur gut, dass Phillip nicht da ist. Der hätte mir gerade noch gefehlt!
Den Kopf auf die Arme gestützt, sitze ich in meinem weißen Kleid am Schreibtisch und versuche, mit geschlossenen Augen meinen flatternden Atem zu normalisieren. Vor Anspannung bestehe ich praktisch nur noch aus wildem Herzklopfen. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Aber ich muss unbedingt verhindern, dass mich Ben in diesem Zustand antrifft.
Es dauert eine ganze Weile, bis ich dank Meditationsübungen und leisem Summen endlich ruhiger werde. Mein Atem wird gleichmäßiger.
Plötzlich reißt mich das Klingeln meines Handys aus den Gedanken. Auf dem Display sehe ich Brittas Nummer.
«Fritz … ist hier», erklärt sie stockend.
«Wie spät ist es?», frage ich und schrecke zusammen. War Ben etwa vor mir hier? Oder habe ich sein Klingeln nicht gehört?
«Es ist Viertel nach fünf. Fritz war überpünktlich», entgegnet Britta, und es klingt beinahe entschuldigend.
Mir ist, als würde der Boden unter mir schwanken. Hat Ben sich also doch gegen mich entschieden?
«Hat er eine kleine Narbe auf der Stirn?», frage ich mit dem letzten Funken Hoffnung.
«Ach so, die Narbe … Moment. Da muss ich erst nachsehen.»
Es rauscht und knistert in der Leitung, und ich höre nur undeutlich, wie Britta etwas zu ihrem Besucher sagt. Kurz danach wendet sie sich wieder an mich. «Nee, die ist glatt wie ein Pfirsich.»
«Danke», höre ich eine relativ hohe Männerstimme im Hintergrund antworten. «Da is aber keen Botox drin, wenn de dat denkst.»
Keine Narbe!?
Die Bedeutung dieser Nachricht erreicht mein Bewusstsein erst nach Sekunden.
Tja, da hat die Schlampe also geschlampt. Sie hätte besser mit Photoshop arbeiten sollen, dann wäre ihr Plan vielleicht aufgegangen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich jemals so erleichtert war. Ich könnte jubeln. Aber vorher muss ich noch etwas anderes herausfinden.
«Gib mir den Statisten mal», bitte ich meine Freundin.
«Eine Kollegin möchte dich gerne etwas fragen», höre ich Britta sagen. Dann raschelt es wieder.
«Möller», meldet sich die quäkende Stimme, die überhaupt nicht an die von Ben erinnert.
«Nelly Nitsche hier. Ich hätte da ein paar Fragen zu den Fotos bei Facebook.»
«Jau. Danach hat mich Ihre Kollegin och schon jefragt.»
«Ja, also, wie kommt es denn, dass –»
«Die sind jut, wa?»
Volltreffer! Fritz ist also auf den Fotos und nicht Ben.
«Eigentlich interessiere ich mich aber für Ihre Partnerin, diese Vera», erkläre ich.
«Ach, sooo is det.» Fritz Möller schnauft enttäuscht. Anscheinend glaubt er, ich wolle Vera
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