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Schätzchen, was machst du denn
hier?«
»Ich wurde durchgevögelt«, sagte ich
tonlos.
Ryan verzog das Gesicht zu einer verz-
weifelten Grimasse. »Das ist ja eigentlich
ganz schön soweit, doch wie du es sagst,
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klingt es, als hättest du dir gerade deine eigene Sargfarbe ausgesucht.«
»Da gibt es bestimmt Verbindungen …«
Er trat wieder ins Zimmer, lehnte die Tür
an und kam zu mir, allerdings mit Respekt-
Abstand. »Komm, Liebes, so kann ich dich
nicht hier sitzen lassen, bedeck’ doch wenigstens deine hübschen Brüste.«
»Aha, also doch der Samariter, den die
Frauen so lieben«, sagte Shawn gering-
schätzig, als er in diesem Moment voll
bekleidet aus dem Bad trat. »Na, dann will
ich mal nicht stören. Wir sehen uns später,
Süße.« Damit verließ er pfeifend das
Zimmer.
Wieder starrte ich ihm hinterher, bis das
Pfeifen verklungen war. »Kannst du das ver-
stehen?«, fragte ich geistesabwesend.
»Ich weiß ja nicht, was vorgefallen ist.
Aber nun komm, zieh dir wenigstens eine
Kleinigkeit über. Ich heize meine Schlafzim-
mer nie und es ist kalt hier.« Er reichte mir 21/520
mein Kleid, das ich automatisch entgegen-
nahm und auf meinen Schoß fallen ließ. »Ich
glaube, es ist aus.«
»Ach nein. Nicht doch, Herzchen. Nicht
immer alles gleich so schwarz sehen. Zieh
dein Kleid an und begleite mich mit nach un-
ten. Da wirst du schon wieder auf andere
Gedanken kommen.
»Ich hab’s in deinem Schlafzimmer, in
deinem Bett, mit einem Kerl getrieben«,
sagte ich noch immer tonlos.
»Das ist nicht schlimm. Ich schlafe sow-
ieso seit diesem Monat wieder im mintgrün-
en Zimmer. Mach schon, zieh dir etwas an
und komm.«
Ich leistete Ryans liebevollem Befehl
folge und bemerkte, wie er mich beim An-
ziehen beobachtete. Auch wenn ich wusste,
dass er schwul war, so stellten sich meine
Brustspitzen auf. Mein Körper sah eben nur
den Mann in ihm.
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Arm in Arm kamen wir die Treppe hin-
unter und mischten uns unter die Leute, die
nichts von unserem Wegbleiben bemerkt
hatten. Nur ungern ließ Ryan mich zurück,
und nur ungern blieb ich alleine am Rande
des Geschehens stehen, doch es wäre
kindisch gewesen, überall mit ihm hin-
zutapsen. Meine Augen suchten die Grüp-
pchen von Menschen nach Shawn ab. Ich
fragte mich, ob er gegangen war, denn ich
konnte ihn nirgends entdecken.
»Du stehst auf der falschen Seite, wenn
du Shawn suchst«, sagte Ryan und hielt mir
einen Mojito hin.
»Danke«, sagte ich und nahm einen
Schluck vom Cocktail. »Was meinst du mit
falscher Seite?«
»Er steht drüben beim Buffet und hält
Volksreden.«
»Aha, na dann …«
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»Halt, Schätzchen, warte!« Ryan ergriff
meine Hand und hielt mich zurück. Verwun-
dert blickte ich ihn an.
»Du solltest besser nicht zu ihm gehen.
Er … er ist ziemlich betrunken, hab ich das
Gefühl. Bitte bleib hier.«
»Nein! Ich gehe zu ihm. So erfährt man
die Wahrheit am Ehesten.« Entschlossenen
Schrittes schob ich mich durch die Leute und entschuldigte mich ein- bis zweimal. Endlich erreichte ich meinen Freund. Doch was er
sagte, klang nicht wirklich wie mein Freund.
Ich nahm mir einen Teller und das letzte
Besteck und tat so, als wollte ich mich vom
Buffet bedienen. Wortfetzen drangen an
mein Ohr: »… so gut, die Kleine.« Ein ander-
er sagte etwas und er antwortete lachend.
»Na klar, die hab ich geknallt, dass ihr
Hören und Sehen verging. Gewimmert und
um Gnade hat sie gebettelt, wie ein Hünd-
chen.« Er lachte und die anderen mit.
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Ich war entsetzt über das, was meine
Ohren mir gerade zutrugen. Automatisch sah
ich hoch. Shawn war von vier Männern
umgeben, die lachten, bis auf einen. Dieser
Eine guckte mit geradem Blick zu mir und
ich fühlte mich sofort ertappt. Mein Herz
machte einen Satz und hämmerte dann
gnadenlos in meiner Brust weiter. Doch ich
schaffte es nicht, den Blick von diesem Mann zu lösen. Was dachte er? Vielleicht, dass
genau ich es bin, von der da gehöhnt wird
oder stellte er sich die Frage, ob ich wirklich wimmere?
»… am liebsten hat sie es im Arsch. Ja,
glaub mir. Dafür tut sie wirklich alles! Mann, geht die ab … Aber am geilsten macht sie es, wenn ich mit der Peitsche und einem Sattel
komme …«
Das war genug! Genug von schlimmen
Unwahrheiten und genug Essen auf meinem
Teller. Ich wandte mich ab und ging in die
Küche, wo ich den Teller auf die Fensterbank 25/520
stellte und mich zur Cocktailbar
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