Cowboy - Riskanter Einsatz
gefährlich genug, konnten sie nur eine bestimmte Zeit lang unbeschadet in dieser Tiefe verweilen. Auf dem Weg an die Oberfläche mussten sie eine Reihe längerer, sehr kompliziert berechneter Dekompressionsstopps einhalten.
In ihrer Tauchausrüstung konnten er und Harvard sich nicht miteinander unterhalten. Das Wasser war extrem kalt, es hatte nur etwa drei Grad, und es war stockfinster da unten. Er konnte Harvard neben sich nicht sehen, nur fühlen.
Cowboy war mehr als froh, dass ausgerechnet der Senior Chief sich in der Nähe aufhielt. Er besuchte gerade seine Familie in seiner Heimatstadt bei Boston. Im Gegensatz zu dem einen oder anderen seiner Kameraden wusste Harvard genau, wann er den Mund zu halten hatte.
Er hatte sich nur sehr knapp zu Melodys Schwangerschaft geäußert. „Als du mir sagtest, du hättest etwas Dringendes zu erledigen, hast du nicht untertrieben“, sagte er, als sie in ihre Taucheranzüge stiegen. „Du machst grundsätzlich keine halben Sachen, nicht wahr, Junior?“
„Nein“, erwiderte Cowboy.
„Ich nehme an, du stellst dich deiner Verantwortung und tust das Richtige in Bezug auf das Mädchen?“
„Ja“, antwortete Cowboy automatisch. So lange hatte er jetzt schon auf das Ziel hingearbeitet, Melody zu heiraten und ihrem Baby ein richtiger Vater zu sein. Aber das war vor seinem Totalversagen im Umgang mit Andy gewesen. Wem wollte er eigentlich etwas vormachen? Er wusste weniger als nichts darüber, was Elternschaft wirklich bedeutete und erforderte. Der beste Beweis dafür war die Tatsache, dass er in diesen Steinbruch hinabtauchte, in der Hoffnung, Andys Leichnam vom Grund hochzuholen.
Cowboy schwebte in der Dunkelheit und wusste nicht, was er sich wünschen sollte. Einerseits hoffte er, dass sie Andys Leiche nicht fanden. Andererseits – wenn der Junge wirklich im Steinbruch ertrunken war, dann wollte er ihn sofort finden. Das würde wenigstens der Warterei und Grübelei ein Ende setzen. Das wäre weit besser, als ihn nicht zu finden und nie sicher zu erfahren, was geschehen war.
Er leuchtete mit seiner Taucherlampe direkt nach unten, obwohl er wusste, dass das Licht von hier noch nicht bis in die trübe Tiefe vordringen konnte, an der das Sonargerät etwas aufgespürt hatte, das ein menschlicher Körper sein konnte.
Cowboy schaltete seine Lampe wieder aus, sodass er und Harvard erneut in absoluter Schwärze schwebten. Es war besser, die Akkus der Lampen zu schonen, bis sie wirklich gebraucht wurden.
Er schloss die Augen. Alles, was er tun musste, konnte er tun. Das wusste er. Aber er wusste auch: Mit dem Anblick von Andy Marshalls bleichem, vom Wasser aufgedunsenem Gesicht stand ihm möglicherweise das Schlimmste bevor, was er je zu bewältigen hatte.
Das würde ihm fast so schwer werden, wie zuzugeben, dass Melody die ganze Zeit im Recht gewesen war. Fast so schwer, wie sich endgültig von ihrem süßen Lächeln abzuwenden.
Cowboy würde das Richtige tun. Nur wusste er jetzt endlich, was wirklich das Richtige war: Er würde sie in Ruhe lassen.
„Es war nur ein Haufen Müll“, hörte Melody Jones zu Tom Beatrice sagen, während sie sich den Männern näherte. „Wir haben die Felszunge, die das Sonar uns gezeigt hat, so gründlich abgesucht, wie uns in der kurzen Verweilzeit in dieser Tiefe möglich war.“ Sein Mund war eine harte, schmale Linie. „Aber natürlich haben wir nur einen winzigen Teil des Steinbruchs gesehen.“
Melody war vor Erleichterung fast in Ohnmacht gefallen, als Jones und Harvard die Wasseroberfläche durchbrachen.
Jones musste gewusst haben, dass sie halb verrückt vor Sorge nach ihm Ausschau hielt, denn er drehte sich auf der Suche nach ihr einmal um die eigene Achse, bis er sie in der Menge am Ufer entdeckte. Während er noch im eisigen Wasser des Steinbruchs hing, sah er sie an. Mit ihm war alles in Ordnung, Gott sei Dank. Und das Objekt, das das Sonargerät geortet hatte, war nicht Andys Leiche, sondern nur ein Haufen Müll.
„Wann können Sie ein zweites Mal runtergehen?“, fragte Tom Beatrice.
„Frühestens am späten Abend“, antwortete Jones dem Polizeichef.
„Aber es wäre vernünftiger und sicherer, bis morgen früh zu warten“, fügte Harvard hinzu. Er wandte sich an seinen Kameraden. „Du weißt es genauso gut wie ich, Jones. Wenn der Junge da unten liegt, kommt es auf vier oder fünf Stunden mehr auch nicht an.“
Jones ließ den Blick über die in düsterem Schweigen wartende Menge schweifen, sah hinüber zu den
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