CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)
Beagles Körperwärme, spürte, wie der Brustkasten sich langsam hob und senkte. Mit der anderen Hand kraulte er dem Tier den Nacken und die Ohren.
»Ist ja gut, Beags«, brachte er mühsam heraus.
Er wunderte sich selbst über die Tränen und merkte, dass ihm dieser Hund, der ihn nie hatte leiden können, inzwischen ans Herz gewachsen war. Keine Spaziergänge mehr am Fluss, keine Nachmittage auf dem Sofa beim Tennisgucken. Kein Zwicken mehr. Außerdem störte es ihn, dass Beagle Philips Hund war und dass Philip nicht hier war, um sich von ihm zu verabschieden. Am schlimmsten war jedoch, dass Alex, als er auf den armen dicken Hund hinunterschaute, der hilflos und sterbenskrank vor ihm auf dem Tisch lag, an seinen eigenen Körper denken musste, der weit weg von hier reglos in einem Krankenhausbett lag.
Alex weinte nicht nur um Beagle. Er weinte genauso um sich selbst.
20
Sie begruben Beagle noch am selben Nachmittag hinten im Garten. Flips Eltern waren inzwischen zu Hause, sodass die Familie plus Cherry und Mrs Jones sich schweigend am Blumenbeet versammelte, wo Beagles Grab mit einem Holzlöffel, auf dem sein Name stand, gekennzeichnet war. Nach der Zeremonie setzten sie sich an den Picknicktisch und tranken den Wein, den Mrs Garamond aus dem Kühlschrank geholt hatte.
Sie hob ihr Glas. »Auf Beagle! Wir hatten ihn sehr lieb und er wird uns sehr fehlen.«
Alle wiederholten den Spruch. Sogar die »Kinder« durften ein halbes Glas trinken. In die beklommene Stille danach fragte Cherrys Mutter, wie der Hund zu seinem Namen gekommen sei.
»Ein Golden Retriever namens Beagle«, sagte sie schmunzelnd, »was steckt dahinter?«
Die Frage war an Alex gerichtet, aber zum Glück übernahm Flips Vater das Antworten. »Na ja«, fing er an, »als er hier«, er zeigte auf Alex, »ungefähr sechs Jahre alt war, hat er sich zu Weihnachten ein Haustier gewünscht. Wir haben gesagt, er soll dem Weihnachtsmann einen Wunschzettel schicken. Aber Philip konnte sich nicht entscheiden, was für ein Tier er haben wollte, darumhabe ich ihm vorgeschlagen, er soll seine beiden Lieblingstiere aufschreiben und abwarten, was der Weihnachtsmann draus macht.« Der Vater lachte leise in sich hinein; er erzählte die Geschichte eindeutig nicht zum ersten Mal. »Philip schrieb: ›Lieber Weihnachtsmann, bringst du mir bitte zu Weihnachten ein Haustier? Ich möchte: einen a) Hund oder – einen b) Igel.‹ Und so bekam Philip einen Hund und der Hund bekam den Namen
B-Igel
. Beagle.«
Sie unterhielten sich weiter über Haustiere: über Cherrys tropische Fische, die Schildkröte ihrer Schwester, den Axolotl, den Teri schon immer haben wollte, der ihr aber nicht erlaubt wurde. Alex wusste nicht einmal, was das für ein Tier sein sollte. Seine Hände waren immer noch schmutzig von Beagles Beerdigung, und dass sich die Eltern kennenlernten, kam ihm viel zu früh vor. Er fing Cherrys Blick auf, konnte ihn aber nicht deuten. Mrs Garamond sagte etwas. Zu ihm? Ja. Als er sie anschaute, sah er auf ihrem Gesicht die Züge seiner eigenen Mutter durchschimmern.
»Ich glaube nicht, dass du das möchtest, oder, Philip?«
»Was denn?«
»Sehen Sie?«, wandte sie sich an Cherrys Mutter. »Philip zieht sich gerne in seine eigene Welt zurück.« Dann: »Angela hat dich gefragt, ob du mit dem Kricket aufgehört hast. Ob es dir nicht fehlt.«
»Ich habe nicht damit aufgehört. Ich bin rausgeflogen.« Unerklärlicher Talentschwund. Zu oft beim Traininggefehlt. Mr Yorath hatte die Geduld mit seinem herausragenden Batsman verloren.
Flips Vater machte ein betretenes Gesicht und schaute angestrengt in sein Glas, als fände er die Spiegelungen in der Oberfläche des Weines überaus spannend. Mrs G hingegen stellte ihr übliches gezwungenes Lächeln zur Schau. Philips Versagen im Kricket gehörte zu den ungelösten Rätseln seit dem London-Vorfall
.
Die Garamonds wollten, dass alles möglichst schnell wieder wie früher wurde. Alex sah die unausgesprochene Furcht in ihren Blicken, dass die Verrücktheit ihres Sohnes unter der alltäglichen Oberfläche lauerte wie ein Wal, der jederzeit zum Luftholen auftauchen konnte. Obwohl sie ihm immer wieder versicherten, dass es keine Schande für ihn sei, wenn er professionellen Rat in Anspruch nehme, behaupteten Flips Eltern beharrlich, dass es ihm wieder besser gehe. Dass er keine Hilfe benötige.
»Der viele Sport hat sich in letzter Zeit negativ auf Philips schulische Leistungen ausgewirkt«, erklärte die Mutter
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