CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)
Rob in Manchester, dachte Alex. Aber das konnte sie nicht wissen. »Wo denn gesehen?«
»Am Fluss. Am Samstag. Mit Cherry Jones.«
Luke und Olly starrten ihn wie hypnotisiert mit offenen Mündern an. Jack kippelte zwar immer noch hin und her, gab sich aber Mühe, wenigstens nicht dumm zu grinsen.
Als hätte die Erwähnung ihres Namens sie herbeigezaubert, schlenderte Cherry in diesem Augenblick zwischen den Tischen im Speisesaal hindurch und trank im Gehen aus einer Flasche Mineralwasser. Sie war zwei oder drei Tische entfernt und wollte zur Tür. Anscheinend bekam sie nicht mit, was an Alex’ Tisch oder sonst wo vor sich ging. Versunken in ihre eigene Welt, die nur sie bewohnte, eine Welt, die Alex anzog und alle anderen auf Abstand hielt.
Auch Donna hatte sie erspäht. »He, Cherry«, rief sie laut. »Du weißt schon, dass Wasser Kalorien hat, oder?«Und dann, als Cherry herüberschaute: »Soll ich die Flasche für dich halten, wenn du aufs Klo gehst und alles wieder auskotzt?«
Cherry ließ sich nicht anmerken, ob ihr die Bemerkung irgendetwas ausmachte. Sie sah Donna lediglich in die Augen – unbeirrt und unergründlich –, ehe sie sich abwandte und weiter in Richtung Tür ging. Sie hatte ihre Schritte kaum verlangsamt.
Jack konnte sich nicht mehr beherrschen. »Du triffst dich mit Knochen-Jones?«
Donna funkelte Alex an. Der erhob sich schweigend, nahm sein Tablett, brachte es zu den Tablettwagen, kratzte die Reste in die Mülltonne und stellte seinen schmutzigen Teller samt Besteck weg. Als er auf dem Rückweg wieder am Tisch vorbeikam, stellte er fest, dass Donna gegangen war. Die drei Jungs lachten sich kaputt.
»Was soll das, Flip?«, sagte Jack. »Bist du auf dem Wohltätigkeitstrip? Ist heute Leg-ne-Magersüchtige-flach-Tag? Oder Mal-sehen-wer-die-hässlichste-Neuntklässlerin-abschleppt?«
Als Alex hatte er noch nie jemanden geschlagen. Er wusste nicht mal, wie man jemandem eine reinhaute. Deshalb war der Schlag, den er Jack verpasste, technisch betrachtet nicht berühmt. Aber Flip hatte Muskeln und eine große Faust mit dicken Knöcheln, die, befeuert von Alex’ jäh hochkochender Wut, mitten in Jacks Gesicht landete und ihn mitsamt dem Stuhl auf den Boden beförderte.
Alex blieb nicht stehen, um sich den Schaden näher zu betrachten, sondern marschierte schnurstracks aus der Kantine.
Zum zweiten Mal nacheinander wurde Alex an einem Montag nach Hause geschickt. Diesmal war das Haus leer, was den Zeitpunkt noch etwas hinauszögerte, zu dem er den Garamonds sein Verhalten erklären musste. Er goss sich ein Glas Milch ein und nahm es mit hoch in sein Zimmer.
Während er an seinem Schreibtisch wartete, bis der PC hochgefahren war, betrachtete er seine Hand. Soweit er es beurteilen konnte, war nichts gebrochen, aber die beiden mittleren Knöchel waren verfärbt und geschwollen, und das Handgelenk, das er sich schon beim Schlittschuhlaufen verstaucht hatte, tat wieder weh.
Einem Jungen ins Gesicht zu schlagen, war wirklich ziemlich daneben, befand er.
Er hatte als Alex schon oft Lust gehabt, jemanden zu schlagen, es aber wegen … ja, weswegen eigentlich? … wegen seiner körperlichen Unterlegenheit immer bleiben lassen. Jetzt, wo er körperlich dazu in der Lage war
,
hatte er es auch getan
.
Erbärmlich. Natürlich konnte er alles Flip in die Schuhe schieben – Flips Statur, seinen Muskeln, seiner Faust –, aber der Befehl zum Ausholen und Zuschlagen war vom Verstand her gekommen … und der gehörte Alex. Genau wie die Sache mit dem Teebecher, den er durch Robs Campingbus geschmissen hatte. Was sollte das alles?
In letzter Zeit dachte er immer mehr über solche Sachen nach. Über Geist und Körper, das Seelische und das Physische. Alex und Flip. Bis jetzt war jeder der beiden, abgesehen von der Ohnmacht, die Alex als »Ausrutscher« betrachtete, für sich geblieben. Alex hatte immer gewusst, wo der eine aufhörte und der andere anfing. Inzwischen war er da nicht mehr so sicher. Was ihn auf den Gedanken brachte, ob womöglich eine Seele, je länger sie sich im falschen Körper aufhielt, sich desto enger mit diesem verband. Umso schwieriger würde es sein, sie wieder von diesem Körper zu trennen.
Alex wollte online gehen und im P E-Forum nachfragen, ob jemand etwas dazu sagen konnte. Dort fand er bestimmt eine Antwort. Dort fand man zu allem und jedem eine Meinung.
Viel später, als es an der Haustür klingelte, war Alex immer noch in seinem Zimmer. Inzwischen
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