Crashkurs
Unternehmen im nächsten Jahr keine 5 Euro pro Aktie verdient, ist das gemeldete KGV nicht einmal das Papier wert, auf dem es verbreitet wurde. Oft schätzen die Analysten auch die Gewinnerwartung für das kommende Jahr, um dann eine neue Zahl zu berechnen. So prognostizierten diese Analysten im Sommer 2008, als die Probleme schon zur Decke schwappten, noch immer eine Gewinnsteigerung der S&P-Unternehmen für 2009 in Höhe von 30 Prozent! Ein Gewinnrückgang ist aber viel realistischer. Also ist dieses KGV wieder einmal nichts anderes als ein wunderbares Instrument, um dem arglosen Investor eine heile Welt und tolle Kaufgelegenheiten vorzugaukeln. Man muss nur am »G« so lange schrauben, bis eine tolle niedrige Bewertung rauskommt. Achten Sie in den nächsten Monaten mal darauf, wie oft Ihnen die Experten erklären, dass das KGV so historisch niedrig ist. Zuvor sollten Sie allerdings ein Gitter vor Ihrem Fernsehgerät anbringen, damit es nicht so teuer wird, wenn Sie aus Zorn mit Flaschen oder Fernbedienungen werfen.
Hinzu kommt, dass die Bilanzierungsrichtlinien, nach denen ein Unternehmen seinen Gewinn für das KGV berechnet, immer mal wieder angepasst werden. Merkwürdigerweise immer so, dass der Gewinn höher ausfällt als nach der alten Methode.
Ich will Sie nicht mit buchhalterischen Details langweilen, daher nur ein Beispiel: Im Jahr 2005 wurden die Bilanzierungsrichtlinien für sogenannte Goodwill-Abschreibungen geändert. Die KGV-Zahlen sahen durch diese Änderung für einige Dax-Unternehmen nach 2005 um 20 Prozent besser aus als noch im Jahr zuvor. Man kann sie also absolut nicht mehr miteinander vergleichen. Dennoch schwärmen die »Experten« ständig von den historisch niedrigen KGVs.
Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten, Aktienmärkte zu analysieren. Welche Methode auch immer in diesen Tagen zu Rate gezogen wird, das Ergebnis ist ernüchternd. Eine weitverbreitete Methode ist die Wellentheorie. Die besagt, vereinfacht ausgedrückt, dass sich, ähnlich wie in der Natur, auch wirtschaftliche Entwicklungen, ja sogar Aktienmärkte in Wellen bewegen. Diese Theorie ist unter dem Namen »Elliott-Wellen« bekannt. Sie wurde von dem Amerikaner Ralph Nelson Elliott in den zwanziger Jahren entwickelt und in den siebziger und achtziger Jahren von Robert Prechter weiterentwickelt. Prechter gelang es auf diese Weise, sowohl den Aktienboom der achtziger Jahre als auch den Crash von 1987 zuverlässig vorherzusagen. In weiteren Studien der Wellenbetrachtung warnte Prechter bereits 2002 vor exakt dem Szenario, das wir 2008 durchlebt haben: Er kündigte die faulen Immobilienkredite mit anschließender Kreditklemme der Banken als Ursache für einen weltweiten Finanzkollaps an. Prechters umfangreiche Analyse der Wellen von 1780 (!) bis heute lässt ihn zu der Schlussfolgerung gelangen, dass der Dow Jones in der jetzt anstehenden Welle bis in den dreistelligen Bereich – also unter 1000 Punkte – fallen wird. Das klingt vollkommen durchgeknallt, und allein der Gedanke an ein solches Schlachtfest übersteigt die Vorstellungskraft des Anlegers. Prechters Erläuterungen sind jedoch absolut plausibel, und es ist faszinierend, wie exakt er im Jahr 2002 bereits die Ereignisse von 2007 und 2008 angekündigt hat. Sollte er auch diesmal recht haben, dann bleibt nur noch die Besinnung auf die US-Dollarnote: »In God we trust!«
Wenn Sie diese Gedanken laut in der Öffentlichkeit äußern, werden die Leute vermutlich die Kinder von der Straße holen, wenn Sie vorbeikommen. Das will und kann sich im Augenblick niemand vorstellen. Mir selbst fällt es schwer, einem solchen Extremszenario zu folgen. Dazu bin ich zu sehr Optimist. Dennoch muss zumindest die Möglichkeit einer solchen Entwicklung im Hinterkopf gespeichert sein.
Wenn die klassische Chartanalyse herangezogen und der langfristige Chartverlauf des Dax seit 1960 betrachtet wird, so sticht eine reinrassige Doppeltop- oder auch M-Formation ins Auge. Die heißt so, weil sie wie ein M aussieht. Sie können es in der Grafik auf S. 144 wunderbar erkennen.
Das M beginnt in einem Bereich um 1000 Punkte. Die beiden oberen Spitzen des M liegen bei etwa 8000 Punkten in den Jahren 2000 und 2007. Dazwischen liegt das Tal mit 2300 Punkten aus dem Jahr 2003. Die Charttechnik erkennt darin eine ausgesprochen hohe Wahrscheinlichkeit für eine Vollendung des M. Die wäre erreicht, wenn der Index wieder am Ausgangspunkt angekommen ist, also im Bereich von etwa 1000 Punkten im
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