CRAZY LOVE - verrückt verliebt (Einführungspreis bis 15.08.12) (German Edition)
abgesehen von den Zeichen ihres Schlafmangels, wunderhübsch aussah, und ich wünschte mir auf einmal, ich wäre wenigstens halb so schön wie sie oder hätte irgendetwas Anziehendes an mir.
Diese Gedanken irritierten mich!
Warum kümmerte mich mein Aussehen? Das hatte es doch bisher nicht, und jetzt war ich auch noch in der zehnten Klasse und musste mich auf wichtigere Dinge wie meinen MSA konzentrieren, der in diesem Jahr anstand. Mir fiel ein, wie Adriana behauptet hatte, Sergio hätte letztes Jahr die beste MSA Prüfung der ganzen Schule abgelegt. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das stimmte.
Ich korrigierte meine schlaffe Sitzhaltung, nahm mein Notizblock hervor und sah konzentriert zum Lehrerpult.
Herr Friese erschien mir noch hektischer, als in der ersten Schulwoche. Er kam kurz nach dem Klingeln hereingestürmt und hatte abstehende Haare, als hätte er vergessen, sich zu kämmen. Unter den Achseln seines kurzärmeligen, roten Hemdes zeichneten sich deutlich sichtbare Schweißflecken ab. Er wollte seine speckige Ledertasche auf dem Stuhl ablegen, doch sie rutschte von der Kante und fiel zu Boden. Jetzt musste er sich umständlich bücken, was aufgrund seines dicken Bauchs nicht so leicht war, er keuchte dabei angestrengt. Einige der Schüler fingen an zu kichern, und Herr Friese schaute grimmig auf. Nachdem er die Ledertasche endlich sicher auf dem Stuhl platziert hatte, plättete er mit den Händen seine wilde Frisur und blickte mit einem freundlichen Gesichtsausdruck in die Runde.
Er sprach in den folgenden zwei Unterrichtsstunden immer wieder über den straffen ‚Lernstoff’ für das zehnte Schuljahr, und dass wir uns alle Mühe geben sollten, denn er glaube an diese Klasse, sagte er mit kräftiger Stimme. Sie sei bisher die fleißigste, die er je gehabt habe. Er sagte, er könne sich mit etwas Mühe jeden einzelnen in der Oberstufe vorstellen, aber er wisse auch, dass wir in einem „nicht so leichten“ Alter seien. Er empfehle uns dennoch, uns auf die wesentlichen Dinge des Lebens zu konzentrieren und uns nicht vom Lernstoff - da war wieder sein Lieblingswort - ablenken zu lassen.
‚Nicht vom Lernstoff ablenken lassen!’ notierte ich für mich und Adriana. Ich drehte meinen Kopf zu ihr und konnte nicht glauben, was ich sah: Sie schlief! Ihre Augen waren zu und ihr Mund halb offen. Ich stupste sie vorsichtig an, und sie richtete sich erschrocken auf. „Hab ich viel verpasst?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, eigentlich nicht. Heute ist Motivationspredigt angesagt.“ Ich zeigte ihr den Satz, den ich notiert hatte. Adriana beugte den Kopf zu mir rüber und hob schmunzelnd die Augenbrauen. „Ach, Herr Friese mal wieder …“
Sie schlief zum Glück nicht noch mal ein.
Nach Deutsch hatten wir Geschichte. Ich überlegte bereits, Geschichte als Fach für die Präsentation bei der MSA Prüfung zu wählen, war aber aufgrund unserer spröden Geschichtslehrerin, Frau Rügmann, nicht ganz sicher. Adriana war es unbegreiflich, dass ich mir jetzt schon Gedanken über die Präsentation machte. Sie hielt es für viel zu früh.
Als endlich auch die Doppelstunden Englisch rum waren, knurrten unsere Mägen und wir eilten in die Mensa. Man hatte die Wahl zwischen Schwäbische Teigtaschen, Kartoffelpüree mit Würstchen und Fischstäbchen mit Pommes Frites. Unsere Entscheidung fiel sehr schnell für die Teigtaschen aus. Wir holten uns unsere dampfenden Portionen und schritten vorsichtig durch die Reihen. Diesmal war der Vierertisch an dem wir die erste Woche hauptsächlich gesessen hatten besetzt, und so landeten wir im hinteren Bereich der Mensa. Mir fiel sofort auf, dass schon wieder weit und breit von Sergio nichts zu sehen war. Die aufgebrezelten Mädchen, die ihn für gewöhnlich umschwirrten, hatten sich wohl deshalb zu den Jungs von der Ruderriege gesetzt. Zwei der Ruderer drehten ihre Köpfe zu uns und grinsten uns an.
Adriana wunderte sich. „Was wollen die denn?“, flüsterte sie mir unauffällig zu. Wir saßen beide nebeneinander mit den Rücken zur Wand, so dass wir einen guten Überblick hatten. Ich stellte eine naheliegende Vermutung an. „Hm, wahrscheinlich … flirten? … Mit dir ?“
„Ne, die wollen irgendwas anderes“, murmelte sie skeptisch.
Im nächsten Augenblick stand einer der Jungs auf und kam zu unserem Tisch. „Hey, Ladies! Wir wollten euch fragen, ob ihr Lust habt, zu unserer Saisonfeier am Samstag zu kommen?“
Wir starrten ihn ausdruckslos
Weitere Kostenlose Bücher