Crazy Moon
hineingegangen und hätte Caroline ordentlich die Meinung gesagt. An Isabels Stelle hätte ich ihr vermutlich eine gescheuert. Aber ich war einfach bloß ich. Deshalb verkroch ich mich in mich selbst, bis es nicht mehr weiterging, schloss die Augen und wartete, bis es vorüber war.
»Ich fass es einfach nicht, dass die auch hier ist«, sagte Caroline. »Ausgerechnet. Wenn ich die Visage auch nur noch einmal sehen muss, kann ich meine Sommerferien echt vergessen.«
Ich hörte ein Geräusch im Flur, unmittelbar hinter mir, und drehte mich um. Während ich versuchte mich wieder an das Halbdunkel dort drinnen zu gewöhnen, |108| verschwamm mir alles vor den Augen. Es war Isabel. Sie stand mit verschränkten Armen hinter mir, ließ Caroline nicht aus den Augen und hörte ihr aufmerksam zu.
Na toll,
dachte ich.
Jetzt hat sie endlich einen konkreten Grund, warum sie mich nicht ausstehen kann.
Ich dachte, sie würde etwas sagen, eine von ihren bissigen, gereizten Isabel-Bemerkungen machen. Aber sie schwieg. Im nächsten Moment brüllte Norman aus der Küche, die Bestellung sei fertig, und sie ging durch den Flur in den Gastraum zurück.
Die Schublade der Registrierkasse sprang mit einem munteren »Bing« auf, als sie die beiden Mädchen abkassierte und ihnen Wechselgeld herausgab. Dann hörte ich das charakteristische Knarren der Vordertür, als Caroline und ihre Freundin sie öffneten.
»Wiedersehen«, sagte Isabel, »schönen Tag noch.«
»Ihnen auch«, antwortete Carolines Begleiterin. Die Türglocke klingelte, die Tür fiel ins Schloss. Isabel trat hinter der Theke hervor und drehte das Schild um, so dass an der Tür jetzt GESCHLOSSEN stand.
Es war vorbei. Was immer ich mir auch gewünscht haben mochte – einen neuen Anfang, ein neues Image, die Meinung, die Isabel und Norman von mir haben sollten oder gehabt hatten – egal, es war Vergangenheit, so oder so. Schluss, aus, Ende. Isabel würde alles, was sie von Caroline gehört hatte, in der Gegend rumposaunen. Und das war’s dann.
Ich hörte, wie sie über den Flur auf mich zukam. Ich schluckte und machte mich auf das gefasst, was nun unweigerlich folgen würde. Sie stand direkt hinter mir, auf der anderen Seite der Tür. Ich konnte sie spüren ohne mich umzudrehen.
|109| »Sag nichts. Sag einfach gar nichts, okay?« Sogar ich hörte, wie schwach und traurig meine Stimme klang.
Lange Zeit sagte sie tatsächlich nichts. Ich starrte in den Himmel, lernte das Blau auswendig. Und erschrak, als sie mich plötzlich leise aufforderte: »Komm.«
»Was?« Ich wandte mich um. Sie sah mich an.
»Du hast gehört, was ich gesagt habe.« Sie ging in den Gastraum, band ihre Schürze ab, warf sie auf die Theke und lief weiter zur Tür. Dabei blickte sie nicht ein einziges Mal zurück, um sich zu vergewissern, ob ich ihr folgte. »Komm.«
Wir überließen es Norman, hinter uns abzuschließen, und stiegen in den Käfer. Bevor Isabel den Schlüssel – er lag unter der Fußmatte – fand, musste sie das Auto ungefähr dreimal von oben bis unten durchwühlen.
Sie ließ den Motor an, gleichzeitig fuhr automatisch die Anlage hoch. Volle Lautstärke, wie immer. Sie drehte die Musik ein wenig leiser, aber nicht viel.
Ich hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen, irgendwas.
»Hör zu, wegen dem Mädchen vorhin . . .«
Sie schüttelte abwehrend den Kopf, drehte wieder am Lautstärkeregler und ließ meine Worte in der Musik absaufen.
Wir fuhren ungefähr hundert. Aber das konnte ich nur schätzen, weil der Tachometer kaputt war, ebenso wie der Rückspiegel, der völlig schief hing, und die Gangschaltung, deren fehlender Knauf durch einen wie einen Globus bemalten kleinen Gummiball ersetzt worden war. Boden und Rückbank waren übersät mit C D-Hüllen , Lippenstiften, Modezeitschriften sowie mindestens |110| zwanzig Sonnenbrillen. Wenn wir um eine Kurve fuhren, flog die ganze Mixtur ratternd und raschelnd von einer Seite zur anderen. Isabel schwieg während der gesamten Fahrt beharrlich; ihr Mund war ein harter schmaler Strich.
Sie wurde nicht einmal langsamer, als wir auf die Schotterstraße zu unseren Häusern abbogen. Da mein Sicherheitsgurt ebenfalls kaputt war und ich mich nicht anschnallen konnte, hielt ich mich krampfhaft am Türgriff fest. Als wir endlich mit quietschenden Bremsen vor dem kleinen weißen Haus zum Stehen kam, hatte ich das Gefühl, mir wären sämtliche Plomben aus den Zähnen gefallen.
Isabel stieg aus und schnappte sich ein paar CDs vom
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