Crazy Moon
geöffnet,
du
hast zugelassen, dass sie über dich hinwegtrampeln konnte.«
Ich dachte an Mira. Daran, dass sie nicht zurückgeschlagen hatte, als Bea Williamson sie beleidigte. Und daran, wie sehr ich mich darüber aufgeregt hatte. »Sie . . .«
Isabel hob die Hand und unterbrach mich schon wieder: »Ist mir egal, wer sie ist. Hier geht es um Selbstachtung, Colie. Wenn du dich selbst nicht achtest, hackt automatisch jeder auf dir herum.«
Ich senkte den Blick und ließ die Zunge über mein Piercing gleiten.
»Und du merkst es nicht mal, was?« Sie stöhnte. »Du machst schon wieder denselben Fehler.«
»Nein.«
Sie schob die Hand unter mein Kinn und hob es hoch, so dass ich ihrem Blick nicht ausweichen konnte. »Es hängt einzig und allein von
dir
ab, Colie.« Sie tippte mit dem Finger gegen ihre Schläfe, tap tap tap. »Du musst an dich glauben, hier oben. Dann bist du stärker, als du jemals geahnt hättest.«
Selbstvertrauen ist definitiv ansteckend. Meine Augenbrauen brannten, meine Augen tränten – aber ich glaubte ihr, wenigstens für einen Moment.
|117| »Und eine anständige Haarfarbe kann dabei auch nicht schaden.« Sie nahm den Karton mit Haarfärbemitteln, der auf dem Fußboden stand. »Komm. Ich will zwar noch ausgehen, aber wenn wir uns beeilen, kriegen wir das vorher locker hin.«
Ich blieb sitzen und betrachtete mein Spiegelbild. Obwohl sich bisher nur eine Winzigkeit verändert hatte, sah ich bereits anders aus.
»Komm, Colie, lass uns endlich loslegen!«, rief sie aus der Küche. Ich warf einen letzten Blick auf mein Spiegelbild, umrahmt von lauter schönen Frauen, dann begab ich mich in Isabels Hände. Sie setzte mich auf einen Stuhl vor das Spülbecken, drückte mit der flachen Hand meinen Kopf nach hinten und befahl mir die Augen zu schließen. Während warmes Wasser über meine Haare strömte, ging mir von all den Fotos schöner Frauen um Isabels Spiegel eines nicht mehr aus dem Sinn: das Bild von Isabels unscheinbarer dämlicher fetter Cousine.
|118| 7
Auf dem Trampelpfad durch den Garten zu Miras Haus lief ich Norman über den Weg. Besser gesagt, ich lief in Norman rein. Ich ging nämlich rückwärts, weil ich Isabel zum Abschied noch einmal zuwinken wollte. Dabei stieß ich gegen etwas Festes.
»Mmmmpft«, sagte das Feste, bevor es mit lautem Gerassel und einem dumpfen Knall nachgab. Ich fuhr herum. Zu meinen Füßen lag Norman unter einem riesigen Gemälde, nur sein Kopf und seine Füße ragten noch hervor. Verwirrt blinzelte er zu mir hoch: »Hi.«
»Hi«, erwiderte ich besorgt. »Alles okay?«
»Alles bestens.« Er grinste und hob vorsichtig die Leinwand an, um sich aufsetzen zu können. Um uns herrschte eine merkwürdige Stimmung. Es war warm, aber sehr windig; heftige Böen fegten in unregelmäßigen Abständen übers Wasser. Meine Shorts flatterten gegen meine Beine und es roch nach Regen. »Mir ist nichts passiert.«
»Tut mir echt Leid«, sagte ich.
»Kein Problem.« Norman, der ein T-Shirt trug, auf dem in verwaschenen weißen Buchstaben CAN’T STOP DANCING stand, richtete sich auf und verdrehte sein rechtes Handgelenk, bis es knackte. Mit dem Kinn deutete |119| er auf das Bild: »Das wollte ich gerade drüben abliefern.«
»Und was ist das?«
Eine wilde Bö fuhr in die Bäume um uns herum und zerzauste uns die Haare. Das Donnern in der Ferne klang, als würde sich jemand sehr Großes leise räuspern.
»Bloß ein Bild, das ich gemalt habe. Gehört zu einer ganzen Serie.«
»Du malst also auch?«
»Ja.« Er neigte das Bild schräg, warf einen flüchtigen Blick drauf und lehnte es wieder an sein Bein. »Im Prinzip sind zwar meine Skulpturen das Beste, was ich mache. Du weißt schon, die Dinger aus dem Kram, den ich ständig sammle. Momentan bin ich völlig fasziniert von Fahrradzubehör und probiere alles Mögliche damit aus. Aber weil ich eine Mappe für die Akademie zusammenstellen muss, arbeite ich auch an einer Bilderserie. So eine Art Experiment. Auf diesem Bild sind Morgan und Isabel.« Er drehte es herum, damit ich es betrachten konnte.
Beide trugen Sonnenbrillen, Morgan eine rote Katzenbrille mit feinen schwarzen Linien um die Ränder, Isabel eine mit weißem Rahmen, der so riesig war, dass die Brille ihr Gesicht zur Hälfte verdeckte. Sie saßen im Last Chance an der Theke. Morgan stützte ihr Kinn auf die Hände, Isabel machte einen Kussmund. Selbst wenn ich sie nicht gekannt hätte, wäre mir beim Betrachten des Bildes sofort klar geworden, dass die
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