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Crazy Moon

Crazy Moon

Titel: Crazy Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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beiden porträtierten Personen einander sehr nahe stehen mussten. Auch ihr Wesen konnte man auf dem Bild deutlich erkennen.
    »Super!«
    |120| Norman scharrte leicht nervös mit dem Fuß.
    »Wirklich, ich finde es super.«
    »Es ist ganz okay«, meinte er in seiner lässig-langsamen Art und drehte das Bild so, dass er es ebenfalls noch mal betrachten konnte. »Distanz und Nähe – das Thema finde ich einfach spannend. Und Sonnenbrillen sind das perfekte Symbol dafür. Viele Menschen tragen Sonnenbrillen, um sich dahinter zu verstecken. Aber gleichzeitig fallen sie auf, wollen sogar auffallen, indem sie besonders modische oder sonstwie ausgefallene Brillen wählen. Da besteht also ein gewisser Widerspruch, eine Spannung, und die interessiert mich.«
    Ich starrte ihn verblüfft an. Ich kannte Norman jetzt seit einem Monat; ich arbeitete mit ihm zusammen und hatte mich fast jeden Tag mit ihm unterhalten. Aber so viel auf einmal hatte er noch nie von sich gegeben und vor allem nichts, was auch nur annähernd so kompliziert gewesen wäre.
    Es donnerte wieder. Dieses Mal klang das Räuspern schon ziemlich nahe. »Klingt echt gut, was du da sagst, Norman!«
    Er lächelte. »Nicht schlecht, was? Jedenfalls habe ich mit dieser Idee die Aufnahmeprüfung für die Akademie bestanden. Jetzt muss ich die Bilder nur noch malen.« Er hob das Gemälde wieder vom Boden. »Bisher sind es drei. Ich habe den beiden versprochen ihres vorbeizubringen, wenn es fertig ist, damit sie es sich anschauen können.«
    Mir fiel das Porträt von Mira und Kater Norman wieder ein, das im Wohnzimmer hing. Das musste das zweite Bild der Serie sein.
    Ein heftiger Donnerschlag fegte ganz in unserer Nähe |121| übers Wasser. Miras Haustür flog krachend auf und wieder zu.
    Automatisch blickten wir beide zum Haus hinüber, das hell erleuchtet war und sich gegen die zunehmende Dunkelheit abhob. Durch die Fenster sah ich plötzlich, dass Mira durchs Haus lief wie ein aufgescheuchtes Huhn. Sie hatte die Hände vors Gesicht geschlagen.
    »Was hat sie denn bloß?«, fragte ich, aber Norman war bereits losgesprintet, quer über die Wiese zum Haus; das Bild schlug beim Laufen gegen seine Beine. Noch ein Donnerschlag, gewaltiger als alle zuvor. Es begann zu regnen. Riesige Tropfen prallten von meinen bloßen Armen ab.
    »Kater Norman!«, schrie Mira. Als wir die Veranda erreichten, schlug die Tür im Wind heftig hin und her. »Wo steckst du?«
    »Mira.« Ich hielt die Tür fest. »Was ist los?«
    »Ich kann ihn nicht finden«, brüllte sie zurück. Durch ein offenes Fenster im unteren Stockwerk flog Papier, die Blätter wurden vom Wind über den Rasen gewirbelt. »Kater Norman!«
    »Keine Bange«, meinte Norman. »Er muss hier irgendwo sein.«
    Mira erschien im Türrahmen, ihre Haare standen wild vom Kopf ab. »Vor ein paar Minuten habe ich ihn noch gehört, aber jetzt . . . du weißt, was für eine Angst er vor Gewittern hat.«
    Noch ein krachender Donnerschlag. Ich fuhr zusammen. Das Gewitter war fast über uns. Norman lehnte sein Bild an die Wand, wo es vor dem Regen geschützt sein würde. »Du bleibst hier«, sagte ich zu Mira. »Wir finden ihn bestimmt.«
    |122| »Verfluchter Kater!« Mit grimmigem Gesicht verschwand Mira wieder im Haus.
    »Kater Norman!« Norman stand am anderen Ende der Veranda. »Komm hierher, Kleiner.«
    »Wo steckt der Bengel bloß?« Mira lief kopflos durch den Flur. »Bestimmt liegt es wieder an diesem Hund, das spüre ich . . .«
    »Er muss hier irgendwo sein. Mach dir keine Sorgen.« Damit sprang ich die Stufen hinunter ins Freie.
    Es regnete in Strömen. Die Wipfel der Bäume schwankten gefährlich hin und her. Isabel stand auf der Veranda des kleinen weißen Hauses und sah zu, wie der Sturm über dem Meer hereinzog.
    »Kater Norman!« Ich spähte ins Gebüsch. Das nasse Gras klebte an meinen Sohlen. »He, Miezekatze, komm schon her.«
    »Nor-man!« Das war Norman, der auf der anderen Seite des Hauses suchte.
    »Nor-man!« Das war ich.
    Ganz in der Nähe schlug ein Blitz ein. Die Erde bebte für einen Augenblick, die Lichter im Haus flackerten. Mir schoss durch den Kopf, dass Kater Norman mit diesen Urgewalten vielleicht doch allein fertig werden musste, da stieß ich hinter dem Haus auf Norman, der in seinem Zimmer nachgesehen hatte.
    »Wir sollten reingehen«, meinte nun auch er. Ein Blitz, ein Knall! Aus den Vogelhäuschen, die über unseren Köpfen wie verrückt im Sturm tanzten, regneten Sonnenblumenkerne auf uns

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