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Crazy Moon

Crazy Moon

Titel: Crazy Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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auch alles andere machen wollte, was man mit Mädchen wie mir machte.
    »Ich muss rein«, meinte ich abrupt.
    »Ach so . . . klar.« Überrumpelt blickte er zu seinem Bild. »Ich glaube, ich lasse es hier stehen und bringe es später bei den beiden vorbei. Wenn es aufgehört hat zu regnen.«
    »Wie du willst. Tschüs, Norman.«
    »Ja, äh . . . ciao.« Zögernd ging er die Stufen hinunter, und als er den Garten schon zur Hälfte durchquert hatte, rief er noch einmal: »Ciao.«
    Ich ging hinein und schloss die Tür. Ganz klar, er hatte nur nach meiner Hand gegriffen, um mich durch den Sturm zu ziehen, ein reiner Reflex.
    Dennoch blieb ich hinter der Tür stehen und blickte ihm durchs Fliegengitter nach, bis er verschwunden war. Erst dann lief ich die Treppe hoch.
     
    Mira und Kater Norman waren in Miras Zimmer, wo sie ihn abwechselnd ausschimpfte und liebkoste. Ich ging wieder runter, schloss die Fenster im Wohnzimmer, sammelte das Papier und die Untersetzer auf und schaltete die Festbeleuchtung aus. Das Haus fühlte sich wackelig an, als hätten auch ihm die Knie gezittert. Aber auch irgendwie entspannt, so als hätte es heftig geatmet, um alle angestaute Luft fortzupusten. Ich lief in den Garten und fischte das Glockenspiel aus der Vogelbadewanne, wo es nach seinem Flugversuch gelandet war.
    Miras Atelier war mit Karten übersät. Manche hatten sich beim Herumfliegen aufgefaltet, andere waren noch geschlossen. Ich sammelte sie ein, wobei ich jede einzelne |127| durchlas. Was für viele unterschiedliche Möglichkeiten, sein Beileid zu bekunden!
    . . . ich fühle mit dir, denn es ist schwer, jemanden zu verlieren, der so viel gegeben hat.
    . . . denn er war ein guter Mann, ein guter Vater, ein guter Freund.
    . . . wir fühlen mit Ihnen, wir alle, die mit ihr zusammenarbeiten durften. Sie war ein Teil unseres Lebens.
    . . . er war dein treuer Freund und Gefährte. Und ich habe euch beide jeden Tag auf eurem Morgenspaziergang vorbeigehen sehen. Das werde ich vermissen.
    Tote Ex-Ehemänner, tote Kollegen, sogar tote Hunde. Tausende von Beileidsbekundungen, Jahr um Jahr.
    Ich rubbelte mich mit einem Handtuch ab und machte mir einen Teller Suppe, mit dem ich mich aus purer Gewohnheit vor den Fernseher setzte, um Wrestling anzuschauen, und zwar allein. Denn Mira, die durchs obere Stockwerk rumorte, ließ bereits Wasser für ihr allabendliches Bad in die Wanne laufen. Rex Runyon und Lola Baby hatten sich zwar versöhnt, aber es tauchten schon wieder neue Probleme am Horizont auf. Die Partnerschaft zwischen Sting Ray und Mr Marvel machte eine schwere Krise durch, weil sie mehrmals hintereinander kläglich gegen Tiny und Whitey verloren hatten. Und während eines Kampfes zwischen Swift Snake und jemandem, den niemand kannte, wurde der Schiedsrichter brutal aus dem Ring geschleudert und landete mit Karacho auf dem Boden. Die Menge tobte.
    In der Werbepause zappte ich durch die Kanäle und stieß auf meine Mutter: Ein Nachrichtenmagazin berichtete von ihrem Kreuzzug gegen Übergewicht durch Europa. Sie war gerade in London. Im Fernsehen sah meine |128| Mutter sogar noch besser aus als in Wirklichkeit; ihre Haut strahlte mit ihrem Lächeln um die Wette. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, wie ähnlich sie und Mira sich waren. Sie hatten die gleiche Art, beim Sprechen aufgeregt mit den Händen zu wedeln, um die Aufmerksamkeit ihres Gegenübers zu gewinnen.
    Der Mann, der sie interviewte, ein Engländer mit rundem Gesicht und unverständlichem Akzent, sagte gerade: »Nun, Kiki, soweit ich es verstehe, sprechen Sie auf dieser Reise zu den Leute vor allem über eine neue Lebensphilosophie, die Sie entwickelt haben.«
    »Das ist richtig, Martin!«, antwortete meine Mutter mit ihrer aufgekratzten Werbestimme, die immer so klang, als würde sie gerade tausend Leute anfeuern schwungvoll die Beine zu heben. »Ich wende mich an all die Menschen dort draußen, die leben wie Raupen, aber genau wissen, dass irgendwo in ihnen ein Schmetterling schlummert.«
    »Raupen, aha.« Martin blickte zweifelnd drein.
    »Ja.« Meine Mutter beugte sich vor und sah ihm eindringlich in die Augen. »Die vielen, vielen Menschen dort draußen, die sich diese Sendung gerade ansehen, haben sich bereits unzählige Fitnessshows und andere Sendungen zum Thema Abnehmen angeschaut – vergeblich. Sie sehnen sich nach konkreter Hilfe, nach Ergebnissen. Aber bisher sind sie nur Raupen, die Schmetterlinge
beobachten
, keine Schmetterlinge. Das liegt an einem

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