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Crazy Moon

Crazy Moon

Titel: Crazy Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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durchdrückte und schwerfällig auf den Fußballen vor und zurück schaukelte. Um ihn herum hatte sich ein großer Kreis gebildet; alle sahen ihm zu und glucksten vor Vergnügen. Je lauter sie lachten, umso übertriebener wurden seine Bewegungen; er streckte die Zunge heraus und verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war.
    Ich brauchte ein paar Sekunden, bevor ich kapierte, dass er
mich
nachmachte. Aber das genügte. Denn jetzt starrten alle mich an.
    Ich hörte auf zu tanzen. Die Musik wechselte, ein neuer Song begann. Ich sah mich um. Das Mädchen mit der Brille war weg;
alle
waren weg. Ich hatte die ganze Zeit allein getanzt, in meiner übergroßen Jeans und meinem neuen Oberteil.
    Wenn im Kino oder in den Fernsehserien für Teenager das fette Mädchen oder der fette Junge fertig gemacht werden, dann ist da immer ein wundervoller Freund oder eine großartige Freundin, die sie mögen, wie sie sind – weil sie nämlich eigentlich ganz toll und ganz besondere Menschen sind, der dicke Junge oder das dicke Mädchen in dem Film oder der Teenie-Serie. Im richtigen Leben läuft das nicht; da ist Schule einfach nicht so.
    Ich lief über den Sportplatz zurück. Niemand folgte mir. Zweieinhalb Stunden lang hockte ich unter einer verkrüppelten kleinen Kiefer und wartete auf meine Mutter. Die Musik aus der Cafeteria drang weiter zu mir rüber. Aus dem Gebüsch um mich hörte ich Rascheln und gedämpfte Stimmen: Pärchen, die sich von der Party und den Aufsichtspersonen wegschlichen, um ungestört |167| zu sein. Um zehn Uhr tauchte meine Mutter auf. Ich stieg wortlos zu ihr ins Auto und schwieg auch während der Heimfahrt.
    Aber ich erzählte es ihr später, obwohl ich mich zu Tode schämte. Während ich redete, hielt sie mich fest im Arm. Ich weinte und bekam Schluckauf vor lauter Schluchzen. Sie sagte nichts, wiegte mich bloß hin und her wie ein kleines Kind. Ihre Lippen waren fest aufeinander gepresst, ihr Mund sah aus wie ein scharfer dünner Strich. So sah sie immer aus, wenn sie wütend war. Sie strich mir übers Haar und sagte, ich sei ein wunderhübsches Mädchen. Aber ich war zu alt, ich konnte ihr nicht mehr glauben.
    Zwei Wochen später kündigte sie ihren Job in der Zahnarztpraxis. Wir zogen nach Massachussetts, wo ich wieder die Neue in der Klasse war. Die fette Neue. Aber die Schule in Maryland und diese Party vergaß ich nie. Ich konnte nicht.
    Wenn man tanzt, ist es irgendwie so, als wäre man nackt. Man muss ziemlich selbstbewusst sein, schließlich steht man mitten in einem Raum voll Menschen und bewegt sich einfach drauflos, fuchtelt mit den Armen, wackelt mit den Hüften, zieht die Blicke aller auf sich. Im Mittelpunkt zu stehen war nie mein Ding, nicht einmal, nachdem ich das Gewicht verloren hatte, durch das ich mein Leben lang aufgefallen war, ob ich nun wollte oder nicht. Tänzer waren Schmetterlinge, die buntesten, elegantesten aller Schmetterlinge, die schwerelos schwebten. Mädchen wie ich dagegen blieben am Boden kleben und waren dazu verdammt zuzusehen, den Schmetterlingen zuzusehen.

|168| 10
    Das Erste, was ich beim Reinkommen sah, war Isabel mit Lockenwicklern, knapp unterm Po abgeschnittenen Jeans, einem knappen weißen Top und Wattebäuschen zwischen den frisch lackierten Zehen ihrer nackten Füße, denn der knallrote Nagellack war noch nicht trocken. Zu unserer Begrüßung war sie aus der Küche gestürzt, um die Anlage noch lauter zu drehen.
    »Ist das eine von den Neuen?«, brüllte Morgan über die Musik hinweg. Ich stellte die Platte mit den Eiern auf den Couchtisch. Statt einer Antwort warf Isabel Morgan im Vorbeiflitzen eine C D-Hülle zu und verschwand wieder in der Küche. Morgan studierte das Cover.
    »Ich liebe Disco.«
    Ich nickte und blickte durch die Tür zu Miras Haus hinüber. Meine Ausrede hatte ich schon im Kopf. Ich konnte einfach nicht bleiben.
    Isabel kehrte mit einer Tüte ins Zimmer zurück: »Ich hab ein paar Kleinigkeiten eingekauft.« Sie begann die Tüte auszupacken und den Inhalt auf Tisch und Fußboden zu stapeln: zwei Sechserpackungen Bier, eine Sechserpackung Cola light, eine Cosmopolitan, Schokokaramellkekse, zwei Fläschchen Nagellack und einen Plastikbehälter unbestimmbaren Inhalts, vermutlich Gesichtscreme. |169| Das Auspacken ging ihr allerdings entschieden zu langsam, deshalb hob sie am Ende kurzerhand die Tüte hoch und schüttelte den Rest einfach raus: eine Tüte Zimtbomben, zwei Päckchen Kaugummi, eine Schachtel Zigaretten,

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