Crazy Moon
verächtlichen Tonfall. Eigentlich war sie viel zu |205| hübsch, um so hässlich und gemein zu sein. »Was hast
du
denn hier zu suchen? Verpiss dich, geh nach Hause, da gehörst du hin.«
Ich sagte gar nichts. Ich musste nichts sagen. Im Moment reichte es völlig, einfach nur da zu sein.
»Die da ist ’ne echte Schlampe«, informierte Caroline Josh. Ihre Lippen verzerrten sich beim Sprechen. »Das weiß bei uns zu Hause jeder.«
Josh warf erst ihr, dann mir einen Blick zu. Und mir wurde plötzlich bewusst, dass es mir egal war, ob er ihr glaubte oder nicht.
Mir war egal, was als Nächstes passieren würde. Ich hatte mich dem Feind gestellt, hatte die Herausforderung angenommen. Jetzt ging es nur noch um Details. Aber die waren längst nicht so wichtig wie die Tatsache, dass ich überhaupt in die Schlacht gezogen war.
»Mit dir kann man echt bloß Mitleid haben.« Verächtlich wandte Caroline sich von mir ab.
»Und du bist ein gemeines Luder«, konterte ich. Und lachte ungläubig auf, weil meine Stimme so fest und entschlossen klang. Ich überraschte mich selbst. »
Ich
habe Mitleid mit
dir
.«
»Ich hasse dich.« Sie war auf hundertachtzig.
»Ach du Ärmste. Ich wünsch dir echt, dass du endlich drüber wegkommst.« Und dabei stellte ich mir vor, wie Isabel die exakt gleichen Worte sagen würde: »Es steht dir nicht, es bringt nichts – entspann dich und denk endlich an was anderes.«
Entgeistert starrte sie mich an.
Jemand stellte sich neben mich. Isabel. »Komm, wir wollen los.« Sie fasste mich bei der Hand. Jetzt starrte Caroline Isabel an, und zwar mit dem Blick, den attraktive |206| Mädchen drauf haben, wenn sie andere Mädchen sehen, die noch viel attraktiver sind.
»Okay.« Ich lächelte Isabel an. Wir gingen zusammen los, doch Josh folgte uns eilig.
»Colie!« Hinter ihm sah ich, dass Caroline, umringt von ihren Freunden, uns nachblickte. Sie redete wie ein Wasserfall, die Worte schossen wütend aus ihrem Mund. Ich wusste genau, was sie jetzt über mich erzählen würde. Alles schon gehört.
»Ja?«
»Ich . . . äh . . . sorry wegen meiner Cousine«, sagte er. »Morgen Abend fahren wir ab, aber – kann ich dich mal anrufen oder so was?«
Isabel trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. In einiger Entfernung sah ich, wie Morgan über die Dünen lief. Die Decke lag wieder ordentlich zusammengefaltet über ihrem Arm.
Isabel zog mich mit sich. Ich rief ihm zu: »Ich arbeite im Last Chance. Da kannst du mich erreichen.«
»Verrät mir endlich mal jemand, was das vorhin sollte?«, fragte Morgan, als wir über die Schotterstraße nach Hause rumpelten.
»Später.« Isabel tätschelte Morgans Knie. »Aber auch wenn du noch keine Ahnung hast, was passiert ist – es war sehr, sehr cool.«
Als wir auf das kleine weiße Haus zufuhren, erfassten die Scheinwerfer des Käfers die Gestalt eines Mannes, der auf den Stufen zur Veranda hockte. Er stand auf und blinzelte ins grelle Licht.
»Das ist ja . . .« Morgan legte erschrocken die Hand auf den Mund.
|207| »Na super!«, stöhnte Isabel.
»Mark!«, rief Morgan gellend und sprang aus dem Auto, bevor sie es richtig zum Stehen gebracht hatte. Sie stürzte über die Wiese auf ihn zu, in seine Arme. Wir rollten rückwärts Richtung Strand, bis Isabel ruckartig die Handbremse anzog und der Wagen abrupt zum Stehen kam.
»Ich dachte, du musst heute Abend schon wieder in Durham sein.«
»Der Plan wurde geändert«, antwortete er. »Ich wollte dich überraschen.«
Wir blieben im Auto sitzen und sahen zu, wie sie sich küssten. Ein richtiger Filmkuss, der ewig dauerte.
»Klasse«, grummelte Isabel. »Und wo soll ich jetzt hin?«
»Komm doch mit zu Mira.«
»Nein. Frank hat mich sowieso eingeladen. Die backen da drüben auf der anderen Seite der Bucht Muscheln. Ich kann sogar zu Fuß hinlaufen.« Sie stieg aus, hielt den Sitz nach vorne gekippt, damit ich ebenfalls aus dem Auto krabbeln konnte, schnappte sich die beiden letzten Bierflaschen, die unter ihrem Sitz gelegen hatten, und stopfte je eine in die Taschen ihrer Shorts.
»Hallo, Isabel«, rief Mark durch die Dunkelheit.
»Alles klar, Mark?« Isabels Stimme klang vollkommen ausdruckslos.
»Ich möchte dir jemanden vorstellen«, sagte Morgan zu Mark, nahm ihn bei der Hand und führte ihn die Stufen hinunter, zu mir. Als er näher kam, stellte ich fest, dass er genauso aussah wie auf Morgans Foto. Längst nicht jeder Mensch sieht sich auf seinen Fotos selbst ähnlich, aber Mark schon.
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