Crazy Moon
bis beide abgebrannt waren.
|211| 12
Es war erst acht Uhr morgens, trotzdem wimmelte es auf dem alljährlichen Flohmarkt, den die Baptistengemeinde zum Unabhängigkeitstag veranstaltete, bereits von Menschen. Während Mira ihr Fahrrad sorgfältig an das Treppengeländer vor der Kirche anschloss, sah ich mich neugierig um.
Halb Colby war zugegen. Auf der Wiese vor der kleinen weißen Kirche, die wie ein Postkartenbild aussah, waren Stände mit allem möglichen Krempel aufgebaut, zwischen denen die Leute sich durchschoben und das Angebot begutachteten: Geschirr, das nicht zusammenpasste, alte Registrierkassen, gebrauchte Kleidung. Auf dem nahe gelegenen Parkplatz der Kirche standen die größeren Sachen, zum Beispiel ein altes Wohnmobil, ein Ruderboot, dessen roter Anstrich abblätterte, sowie der gigantischste Spiegel mit gusseisernem Rahmen, den ich je gesehen hatte. Das Glas war natürlich zerbrochen, trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – erweckte der Spiegel sofort Miras Interesse, so dass sie, nachdem sie endlich mit Abschließen fertig war, schnurstracks dorthin marschierte und mich einfach stehen ließ, vor einem Tisch, auf dem sich alte Hamster- und Vogelkäfige türmten.
|212| Ich fing an rumzustöbern, war mir jedoch der Blicke, die Mira auf sich zog, wieder einmal deutlich bewusst, und je länger wir auf dem Flohmarkt blieben, desto mehr nahm ich sie wahr. Ich konnte das abfällige Grinsen der Menschen, wenn Mira an ihnen vorüberging, einfach nicht ignorieren. Manche warfen ihr bloß schnelle Seitenblicke zu, andere starrten sie unverhohlen an. Zwar grüßten einige Leute – Ron von der Tankstelle, der Gemeindepfarrer – sie freundlich. Doch die meisten Flohmarktbesucher schienen sie für eine Art Alien zu halten.
»Sieh mal einer an!« Ich erkannte die Stimme sofort. »Mira Sparks beim Shopping! Was für ein Anblick!«
Ich drehte mich bewusst langsam um. Bea Williamson, ihr großköpfiges Kind auf der Hüfte haltend, stand in Miras Nähe und schüttelte nur den Kopf über meine Tante, die sich hingehockt hatte, um ein Paar alter Rollerskates aus der Nähe zu betrachten.
Vielleicht lag es daran, dass ich Caroline Dawes Kontra gegeben hatte. Vielleicht hatte es sich auch den ganzen Sommer über aufgestaut. Jedenfalls merkte ich plötzlich, dass ich vor Wut auf Bea Williamson und all die Gemeinheiten, die sie in meinem Beisein über Mira schon rausposaunt hatte, kochte. Auf der einen Seite war es wie früher, wenn ich vor lauter Unsicherheit knallrot angelaufen, wenn die Hitze allmählich von meinem Hals in mein Gesicht und weiter hoch gestiegen war, bis meine Kopfhaut prickelte. Doch gleichzeitig fühlte es sich irgendwie total anders an. Ich kniff die Augen zusammen und funkelte Bea Williamson an. Sie trug ein blau-weiß kariertes Sommerkleid und weiße Sandalen und ihre blonde Dauerwelle wippte, als sie sich jetzt bückte, um |213| das kleine Mädchen mit dem großen Kopf auf dem Rasen abzusetzen. Ihr Blick streifte mich nur flüchtig; sie hatte mich nicht wiedererkannt.
Die Frau hat Mira voll auf dem Kieker. Warum, weiß ich auch nicht.
Das hatte Morgan schon vor Wochen zu mir gesagt.
Aber manchmal brauchte es dafür gar keinen Grund zu geben. So einfach war das.
Ich stellte mich auf die andere Seite des Tisches und tat so, als würde ich mich dafür interessieren, wie viel ein Hamsterrad aus Segeltuch kostete. Doch dabei ließ ich Bea Williamson nicht aus den Augen.
»Ich wundere mich sowieso, dass sie heute Morgen nicht als Allererste hier war«, sagte sie gerade. Das kleine Mädchen ließ ihren Rockzipfel los und begann eine wackelige Runde um einen Tisch voller Untersetzer zu drehen. »Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass sie die ganze Nacht auf der Wiese vor der Kirche campieren würde, um sich die besten Schnäppchen zu angeln.«
»Bea, du bist schrecklich«, sagte eine andere Frau – ein Klon in Blau-Weiß mit exakt der gleichen wippenden Dauerwelle.
»Ich bin schrecklich?« Bea strich die Haare zurück und plusterte sich auf. »Dabei dreht sich mir jedes Mal der Magen um, wenn ich
sie
sehe.«
Während ich sie beobachtete, fiel mir wieder Carolines abfälliges Naserümpfen ein, als sie mich im Last Chance gesehen hatte. Ich warf einen raschen Blick zu Mira. Dies war nicht meine Schlacht. Wenn sie so tun wollte, als wäre es ihr egal, hielt ich mich besser raus.
Andererseits reichte es einfach.
Ohne weiter nachzudenken ging ich um den Tisch herum, |214| direkt
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