Crazy Moon
auf. Ich stand tatsächlich auf, um zu dem gut aussehenden Jungen mit den braunen Augen zu gehen, dem ich am Unabhängigkeitstag unter einem Funkenregen begegnet war. Ich würde es tun.
»Komm schon!« Josh winkte noch einmal.
»Ich gehe mal eben da rüber«, sagte ich laut. Morgan blickte überrascht zu mir hoch. »Ich . . .«
Und da geschah es. Da sah ich sie. Caroline Dawes. Sie trat hinter einem von Joshs Freunden hervor und wandte den Kopf, um in meine Richtung zu blicken. Sie erkannte mich augenblicklich und verzog sofort angewidert das Gesicht. Als würde es plötzlich stinken.
»Komm jetzt endlich!«, rief Josh laut und winkte energisch. Über meinem Kopf explodierten Farben und Lichter.
Aber ich blieb wie angewurzelt stehen und starrte Caroline an. Sie sah von mir zu Josh und wieder zu mir. Streckte die Hand aus, tippte ihm auf die Schulter. Er wandte sich zu ihr um. Sie sagte etwas.
»Colie?«, fragte Morgan. »Was hast du?«
Es passierte wieder. Egal was ich tat, egal wie sehr die Welt sich für mich veränderte – kaum tauchte Caroline Dawes auf, war alles im Eimer.
Da hörte ich, dass Isabel mit mir redete.
»Colie.« Ihre Stimme drang klar und deutlich durch das Getöse um uns. »Colie, du gehst jetzt da rüber.«
»Nein, ich kann nicht.« Schlagartig wurde mir bewusst, dass sie genau beobachtet hatte, wie ich mit Josh |203| zusammengestoßen und was danach passiert war. Und sie sah auch, dass Caroline Dawes jetzt neben Josh stand.
»Colie!« Isabel zeigte mit dem Kopf in seine Richtung. »Du gehst sofort zu ihm.«
»Was ist hier eigentlich los?«, fragte Morgan. »Wovon redet ihr überhaupt?«
Doch Isabel antwortete nicht, sondern sah mich an. Ich dachte an die vielen Momente, in denen Caroline Dawes mir das Leben schwer gemacht hatte. Dachte an meine erste Party und an den Jungen, der mich beim Tanzen nachgeäfft hatte. Und schließlich an meine Mutter, die vor Tausenden von Raupen stand und sie durch ihren schieren Glauben in Schmetterlinge verwandelte.
»Los jetzt, geh!«, wiederholte Isabel ein drittes Mal. Ich wusste, dass sie wusste, dass ich es tun würde; ich hörte es an ihrer Stimme, sah es in ihrem Gesicht.
Und irgendwie raffte ich mich auf und marschierte los.
Wie in einem Traum lief ich über den Sand, an den vielen zum bunten Himmel gewandten Gesichtern vorbei.
Josh wartete am Lagerfeuer auf mich. Caroline stand mit verschränkten Armen neben ihm. Sie feixte.
Das Feuerwerk näherte sich seinem Höhepunkt. Die Nationalhymne wurde gespielt, die Töne waberten im Rhythmus von Explosionen und Lichtblitzen über das Wasser. Eingehüllt von Farben und dumpfem Geknalle befahl ich mir selbst, Caroline Dawes in die Augen zu sehen. Sonst hatte ich mich jedes Mal, wenn sie mich quälte, unter ihren Beleidigungen zusammengeduckt, so als hätte sie ihre Worte wie eine große schwere Decke über mir ausgeschüttelt. Doch dieses Mal würde es anders laufen. |204| Was auch immer sie zu mir sagte – ich würde nicht ausweichen, sondern ihr standhalten.
Mir fiel der Tag ein, an dem Isabel mich das erste Mal mit zu sich genommen und mir ein paar Sachen an den Kopf geknallt hatte, um mich aufzurütteln. Ich sah wieder, wie sie ganz dicht vor mir stand, mit einem Finger gegen ihre Schläfe tippte und sagte:
Du musst an dich glauben, hier oben. Dann bist du stärker, als du jemals geahnt hättest.
Und die Worte meiner Mutter:
Meiner Meinung nach fangen Mut und Selbstvertrauen nicht einfach aus einem selbst heraus an. Meiner Meinung nach geht das Ganze außen los, dadurch, wie die anderen einen sehen. Und das färbt dann auf dich ab.
Auf einmal knallte es ein letztes Mal gewaltig, Millionen Farben regneten vom Himmel – dann war das Feuerwerk vorbei. Die Leute applaudierten, jubelten, pfiffen begeistert.
Ich hielt mich gerade – Schultern zurück, Brust raus – und sah Caroline Dawes ins Gesicht.
Das schien sie ein wenig aus der Fassung zu bringen. Ich fixierte ihre Augen, konzentrierte mich auf das Weiß und das Braun darin. Ganz normale Augen eben. Sie wich meinem Blick nicht aus, doch das hatte ich auch nicht erwartet. Wir starrten einander eine Ewigkeit lang bloß an. So jedenfalls kam es mir vor, denn die Menschen um uns begannen ihre Sachen aufzusammeln und zu ihren Autos zurückzukehren. Das Spektakel war vorbei.
»Hey du.« Ich merkte, dass Josh auf mich zutrat. »Warum hat das so lange gedauert?«
»Ich fass es nicht«, näselte Caroline in dem für sie typischen
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