Crazy Moon
Bestellblock aus meiner Schürzentasche, den Kugelschreiber aus meinem Haar und hob ab – alles gleichzeitig.
»Last Chance«, sagte ich in den Hörer. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ist Colie da?«
Die Stimme eines Jungen. Ich warf einen Blick in die |217| Küche, zu Norman, dem einzigen Jungen, den ich kannte, der mich eventuell anrufen würde. Aber Norman saß neben dem Grill, aß Pommes frites und las ein Buch über Salvador Dali.
»Am Apparat«, antwortete ich. Morgan, die dabei war, Salzstreuer aufzufüllen, blickte auf.
»Hallo!« Die Stimme am anderen Ende klang erleichtert. »Hier ist Josh. Von gestern Abend.«
»Ach so, ja. Hallo!« Ich lehnte mich an die Theke.
»Hi. Wir fahren gleich ab, aber . . . äh . . .« Ich hörte Lärm im Hintergrund: Leute redeten laut, Autotüren wurden zugeschlagen. »Ich wollte fragen, ob ich dich mal anrufen kann, wenn du wieder nach Hause kommst. Ich wohne auch in Charlotte.«
»Wirklich?«
»Ja.«
Isabel kam mit hochgestecktem Haar den Flur entlang, fertig für die nächste Schicht. »Will da jemand was bestellen?«, fragte sie Morgan, wobei sie mit dem Kinn auf mich zeigte.
»Njet«, flüsterte Morgan. »Jemand für Colie.«
Isabel zog die Augenbrauen hoch und meinte streng: »Stell dich gerade hin, Colie.«
Ich legte eine Hand über die Muschel. »Er kann mich doch gar nicht sehen«, zischte ich.
»Vielleicht können wir uns mal wieder treffen und zusammen ins Kino gehen oder so. Bevor die Schule wieder anfängt«, fuhr Josh fort.
Und auch Isabel fuhr fort: »Tu, was ich dir sage. Und gib ihm auf keinen Fall deine Nummer, selbst wenn er bittet und bettelt.«
»Isabel«, wandte Morgan ein.
|218| »Auf gar keinen Fall«, wiederholte Isabel. »Ich meine es ernst.«
»Klar, gerne«, antwortete ich ins Telefon. »Aber wahrscheinlich komme ich nicht vor Mitte August zurück.«
»Okay«, sagte er. »Kannst du mir trotzdem schon mal deine Telefonnummer geben, bitte?« Im Hintergrund prustete jemand los – ein anderer Junge – und ich merkte, dass Josh ebenfalls seine Hand auf die Muschel legte.
»Ja, äh . . .« Isabel stemmte die Hände in die Hüften und musterte mich durchdringend. »Sorry, ich muss dringend zu ein paar Gästen rüber an den Tisch. Frag Caroline nach meiner Nummer. Wir sind Nachbarn.«
»Wirklich? Davon hat sie mir gar nichts erzählt.«
Das war klar,
dachte ich. Morgan grinste, aber Isabel nickte bloß zufrieden und holte sich ihren eigenen Lunch, der in der Durchreiche bereitstand.
»Du, ich muss jetzt wirklich weitermachen«, sagte ich. »Aber ruf mich wieder an. Im August, ja?«
»Im August«, antwortete er. »Mach ich.«
Ich legte auf und sah Isabel fragend an. Norman ließ sein Buch sinken und beobachtete uns von seinem Platz in der Küche aus. Seit er direkt vom Flohmarkt zur Arbeit gekommen war, verhielt er sich mir gegenüber merkwürdig. Er wandte den Kopf ab, wenn er mich sah, wich meinen Blicken aus. Keine Ahnung, was plötzlich in ihn gefahren war.
»Unsere Colie ist über Nacht erwachsen geworden«, sagte Morgan stolz.
»Aber sie steht immer noch da wie ein Sack«, meinte Isabel trocken.
Ich grinste Morgan an. Sie seufzte und füllte einen weiteren Salzstreuer nach. »Frisch verliebt, wie schön. |219| Wenn ich daran denke, vermisse ich Mark noch mehr.«
»Bah.« Isabel goss sich eine Cola ein. »Fang gar nicht erst damit an.«
»Es war so lieb von ihm, mich zu überraschen«, sagte Morgan unbeirrbar, und zwar zum mindestens hundertsten Mal an diesem Tag. Marks unangekündigter Besuch hatte ihre Zweifel, so sie überhaupt welche gehabt hatte, ein für alle Mal zerstreut. Seitdem klebte dieser träumerische Ausdruck auf ihrem Gesicht und ging einfach nicht mehr weg. Das konnte nur die Liebe sein, meinte Isabel – oder Blähungen. »Ich möchte mir auch was ausdenken, um ihn zu überraschen.«
Isabel verdrehte die Augen.
Ich wickelte mir das Telefonkabel ums Handgelenk. »Er ruft mich im August an.«
»Sag nicht gleich beim ersten Mal Ja, wenn er sich mit dir verabreden will.« Isabel nahm eine Zeitschrift von ihrem geheimen Stapel neben unserem Abstellplatz für das schmutzige Geschirr. »Erzähl ihm, du hättest schon was vor. Das machst du mindestens einmal. Zweimal wäre sogar noch besser. Spiel das Spiel nach deinen Regeln, Colie.«
»Okay.« Wie sollte ich bloß mit allem fertig werden, wenn sie nicht mehr in meiner Nähe war?
Die Küchentür fiel krachend ins Schloss. Norman war weg, aber sein Buch
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