Credo - Das letzte Geheimnis
erkennen – sie hatten damals eine Beziehung gehabt. Offenbar hatte sie aber eher auf Freundschaft denn auf Leidenschaft beruht und war auch friedlich beendet worden.
Ford packte die Akten weg, angeekelt von der Verletzung der Intimsphäre vieler Menschen, dem unverschämten Eindringen der Regierung in das Privatleben, das diese Dossiers widerspiegelten. Er fragte sich, wie er es überhaupt so lange bei der CIA ausgehalten hatte. Das Kloster hatte ihn doch mehr verändert, als ihm bewusst gewesen war.
Er holte das Dossier über Hazelius wieder hervor und schlug es auf. Er hatte es nur rasch überflogen, doch jetzt ging er es gründlicher durch. Es war chronologisch geordnet, und Fordlas es in dieser Reihenfolge, um sich ein Bild von der Lebensgeschichte des Mannes zu machen. Hazelius stammte aus überraschend gewöhnlichen Verhältnissen, einziges Kind einer soliden Mittelschicht-Familie mit skandinavischen Wurzeln, aufgewachsen in Minnesota, Vater Ladenbesitzer, Mutter Hausfrau. Nüchterne, langweilige Leute, die jeden Sonntag zur Kirche gingen. Ein Umfeld, von dem man wahrlich nicht erwartete, dass es ein transzendentales Genie hervorbrachte. Hazelius hatte sich rasch als echtes Wunderkind erwiesen: Abschluss summa cum laude von der Johns-Hopkins-Universität mit siebzehn, Doktortitel vom California Institute of Technology mit zwanzig, Lehrstuhl an der Columbia mit sechsundzwanzig, Nobelpreis mit dreißig.
Abgesehen von seiner Brillanz, war der Mann aber schwer zu fassen. Er gehörte nicht zu den typischen Scheuklappen-Akademikern, die nur ihr enges Forschungsfeld sahen. An der Columbia University hatten seine Studenten ihn auch wegen seines trockenen Humors, seines verspielten Temperaments und seines überraschenden musikalischen Talents verehrt. Er spielte in einem Schuppen an der 110th Street Boogie-Woogie und Jazz am Klavier und füllte die Kneipe regelmäßig mit seinen ihn anhimmelnden Studenten. Er ging mit seinen Studenten in Jazzlokale. Er entwickelte eine Theorie des Aktienmarktes, die auf der des chaotischen Attraktors basierte, und verdiente damit Millionen, bevor er das System an einen Hedge-Fonds verkaufte.
Nachdem Hazelius mit seiner Arbeit über die Quantenverschränkung den Nobelpreis errungen hatte, trat er locker in die Fußstapfen des Starphysikers Richard Feynman. Er veröffentlichte nicht weniger als dreißig theoretische Abhandlungen über die Unvollständigkeit der Quantentheorie und erschütterte damit die Disziplin in ihren Grundfesten. Er bekam die Fields-Medaille, die höchste Auszeichnung der Mathematik,für seine Arbeit über Aspekte der Bayesschen Wahrscheinlichkeitstheorie verliehen und war damit der einzige Mensch, der sowohl einen Nobelpreis als auch die Fields-Medaille gewonnen hatte. Hinzu kam noch ein Pulitzer-Preis für einen Gedichtband – fremdartig schöne Gedichte, die ausdrucksvolle Sprache mit mathematischen Gleichungen und wissenschaftlichen Theoremen verbanden. Er hatte ein Hilfsprojekt in Indien auf die Beine gestellt, das medizinische Hilfe für Mädchen leistete, in Regionen, wo es ansonsten üblich war, kranke Mädchen einfach sterben zu lassen; dazu gehörten auch sensible, aber intensive Aufklärungsprogramme, die darauf abzielten, die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Mädchen im Allgemeinen zu verändern. Er hatte Millionen für eine Kam pagne gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen in Afrika gespendet. Außerdem besaß er ein Patent – und das fand Ford geradezu komisch – für eine verbesserte Mausefalle, human, aber wirkungsvoll.
Oft erschien er in den Gesellschaftsseiten der
Washington Post
auf Fotos an der Seite der Reichen und Berühmten, stets in seinen typischen Anzügen aus den Siebzigern, mit fettem Revers und dicken Krawatten. Er brüstete sich damit, sie alle bei der Heilsarmee gekauft und nie mehr als fünf Dollar dafür bezahlt zu haben. Er war regelmäßig bei Letterman zu Gast, und man konnte sich darauf verlassen, dass er jedes Mal unerhört unverschämte, alles andere als politisch korrekte Dinge von sich gab – er nannte sie »unangenehme Wahrheiten« – und wortgewandt über seine utopischen Visionen schwadronierte.
Im Alter von zweiunddreißig hatte er alle Welt überrascht, indem er das Supermodel und ehemalige Playboy-Bunny Astrid Gund heiratete, zehn Jahre jünger als er und berüchtigt für ihre fröhliche Geistlosigkeit. Sie begleitete ihn überallhin, sogar in diverse Talkshows, wo er sie anhimmelte,
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