Credo - Das letzte Geheimnis
stärker als die, die etwa in medizinischen Geräten wie Magnetresonanztomographen steckten. Sie konnteneinem ein Zehn-Cent-Stück mitten durch den Körper ziehen oder einem mit der eigenen Gürtelschnalle die Eingeweide herausreißen.
Isabella war gefährlich und forderte entsprechenden Respekt.
Er stieg hinter das Lenkrad, drückte auf einen Knopf, betätigte die Kupplung und legte sacht den ersten Gang ein.
Er hatte dieses Gefährt selbst entworfen, und das war mal ein hübsches kleines Wägelchen. Es fuhr zwar nicht schneller als 40 Kilometer pro Stunde, hatte aber fast so viel gekostet wie ein Ferrari Testarossa, vor allem deshalb, weil es vollständig aus nichtmagnetischen Materialien bestehen musste – Kunststoffe, Keramik und sehr schwachen diamagnetischen Metallen. Es war mit einem Kommunikationssystem ausgestattet, einem eingebauten Computer, Radarsensoren und Warnreglern vorn, seitlich und hinten, mit Strahlungssensoren, ferromagnetischem Alarm und einer besonderen, vibrationsarmen Kassette, in der empfindlichste wissenschaftliche Instrumente befördert werden konnten.
Er rollte über den Zementboden und durch die ovale Öffnung in Isabellas Tunnel. Die Kurve war eng, und er hielt den Wagen an.
»Hallo, Isabella.«
Langsam lenkte er den Wagen auf die Betonspur, die im Tunnel entlanglief, neben dem leicht gebogenen Bündel Rohre. Sobald er diese Betonbahn erreicht hatte, beschleunigte er, denn nun wurden die Räder in Rillen geführt. Eine Doppelreihe Leuchtstoffröhren an der Decke tauchte alles in ein grünlich blaues Licht. Während er den Tunnel entlangsauste, betrachtete er die dickste Röhre, eine Konstruktion aus einer schimmernden 7000er-Aluminium-Legierung, alle hundertachtzig Zentimeter geflanscht und mit dicken Bolzen verschraubt. Darin befand sich ein Vakuum, noch stärker als dasauf der Mondoberfläche. Es musste absolut dicht sein: Ein einziges Atom, das in K-Null abdriftete, hätte denselben Effekt wie ein verirrtes Pferd, das plötzlich auf der Rennbahn in Daytona seitlich in das Feld sprengte. Chaos und Zerstörung.
Er beschleunigte auf Höchstgeschwindigkeit. Die Gummiräder flüsterten in ihren Spuren. Alle neunzig Meter kam er an einem Magneten vorbei, der wie ein großer Donut um die Röhre gewickelt war. Jeder Magnet, gekühlt auf viereinhalb Grad über dem absoluten Nullpunkt, gab einen feinen Nebel aus Kondensationsflüssigkeit ab. Dolby sauste durch die Wolken, die in kleine Wirbel zerstoben, und die Röhre raste an ihm vorbei.
In regelmäßigen Abständen kam er an einer Tür in der linken Tunnelwand vorbei, Öffnungen zu den alten Kohlenschächten. Notausgänge, falls einmal etwas passieren sollte. Aber es würde nichts passieren. Dies hier war seine Isabella.
Magnet Nummer 140 lag fast dreizehn Kilometer weit im Inneren des Tunnels … eine Fahrt von zwanzig Minuten. Es war nichts Ernstes. Dolby war beinahe froh über den kleinen Fehler – er genoss diese Zeit, allein mit seiner Maschine.
»Nicht übel«, sagte er laut,»für den Sohn eines kleinen Mechanikers aus Watts, was meinst du, Isabella?«
Er dachte an seinen Vater, der jeden Automotor auf Erden reparieren oder neu aufbauen konnte. Verdiente damit nie mehr, als dass es gerade so zum Leben reichte – es war beinahe ein Verbrechen, dass ein so guter Mechaniker nie eine echte Chance bekommen hatte. Dolby war entschlossen, das wettzumachen – und das gelang ihm auch. Als Dolby sieben war, schenkte sein Vater ihm einen Radio-Bausatz. Es erschien ihm wie ein Wunder, dass man einen Haufen Plastik- und Metallteilchen zusammenschraubte und -lötete und dann tatsächlich etwas vor sich hatte, aus dem eine Stimme kam. Mit zehn Jahren hatte Dolby seinen ersten Computer selbst gebaut. Dannkonstruierte er ein Teleskop, baute noch ein paar CCD-Sensoren ein, schloss es an den Computer an und begann, Asteroiden zu beobachten. Er baute einen Teilchenbeschleuniger auf seinem Schreibtisch, mit einer alten Elektronenkanone aus einem Fernseher. Damit gelang ihm etwas, wovon jeder Alchemist träumte, etwas, das nicht einmal Isaac Newton geschafft hatte: Er hatte ein Stück Bleifolie mit Elektronen beschossen und dabei ein paar hundert Atome in Gold verwandelt. Sein armer Vater, Gott sei seiner gütigen Seele gnädig, hatte jeden Dollar, den er von seinem mageren Lohn entbehren konnte, in Bausätze, Ausrüstung und Material für seinen Sohn investiert. Ken Dolbys Traum war es, die größte, glänzendste, teuerste Maschine aller
Weitere Kostenlose Bücher