Creepers - Der Fluch der Hexe
ich in einen Interessenkonflikt, wenn ich mich selbst engagieren würde.« Die Worte kamen nur so aus ihr herausgesprudelt, was immer dann passierte, wenn sie besonders aufgeregt war oder nicht wollte, dass sie jemand unterbrach. »Aber Sie kennen diesen Friedhof besser als jeder andere. Wenn Sie auf seine Notlage hinweisen wollen, dann sollten Sie vielleicht so eine Art Protest organisieren. Und ich könnte einen Artikel darüber schreiben. Sie müssen die Bewohner von Murmur aufrütteln, damit sie für die Erhaltung des Friedhofs kämpfen.«
»Das ist eine großartige Idee«, bemerkte Margaret.
Mr. Geyer wandte sich an Mom, und ich konnte sehen, wie sich seine gesamte Haltung entspannte.
»Das ist ein interessanter Vorschlag, Mrs. O’Brien«, stimmte er ihr zu. Die Kälte war aus seiner Stimme gewichen.
»Hätten Sie vielleicht einige Ideen?«, fragte meine Mutter hoffnungsvoll.
»Vielleicht.« Er nickte gedankenverloren. »Keine Sorge. Ich werde mir etwas Berichtenswertes einfallen lassen, versprochen.«
»Großartig.« Meine Mutter strahlte. »Ich muss Sie dann natürlich auch interviewen – als der Friedhofsexperte. Und nennen Sie mich bitte Jen«, sagte sie nachdrücklich.
»Gern.« Mr. Geyer wirkte mit einem Mal sehr ruhig.
»Könnten wir uns dann vielleicht morgen treffen, um über die Sache zu sprechen? Ich muss den Artikel bis Mittwoch abgeben. Würde Ihnen das reichen, um sich einen groben Plan zu überlegen?«
»Es wird wohl reichen müssen.« Mr. Geyer lächelte geduldig. »Die Zeit wartet nicht auf uns.«
Ich warf einen Blick auf den Friedhof und stellte mir stattdessen geschwungene Alleen mit hübschen großen Häusern und zahlreichen Menschen vor. Wäre das wirklich so schlimm? Aber dann dachte ich an Prudence. Wenn Prudence schon beim ersten Umzug verschollen ist, wie viele werden wohl diesmal verloren gehen?
»Ganz genau«, sagte Margaret an mich gewandt. Dabei war ich mir sicher, dass ich meine Gedanken nicht laut ausgesprochen hatte.
Kapitel 5
M argaret, Mr. Geyer und ich saßen an Prudence’ Grab. Der Augusthitze zum Trotz herrschte eine angenehme Brise, die uns das Sitzen erträglich machte. Heute war Margarets Haar straff zu einem Zopf nach hinten gebunden, sodass ihr Gesicht fast aussah, als wäre es geschrumpft. Sie besaß die smaragdgrünen Augen der Hexe.
Margaret hatte eine weitere Kopie einer Seite aus Christians Tagebuch mitgebracht, um uns für unseren Friedhofsprotest davon inspirieren zu lassen.
Heute erschien die Hexe auf meiner Türschwelle. Ihr Blick wanderte von meinen rauen Händen zu den Efeuschnitzereien auf dem Türblatt, die ich gerade erst vollendet hatte. Zwischen dem Türklopfer und dem Knauf wand sich der Efeu in konzentrischen Kreisen, so als würde der Wind ihn aufwirbeln.
»Ich habe dich von der Straße aus gesehen«, erklärte sie mir. Ihre grünen Augen schienen mir geradewegs in die Seele zu blicken.
»Sie ist noch immer nicht nach Hause gekommen«, warf ich ihr vor. Es war mir unangenehm, dass sie mich so sah. Sie war eine Hexe, doch sie war zugleich eine Frau.
»Hab Geduld. Es sind erst wenige Tage vergangen. Die Natur richtet sich nicht nach unserem Stundenglas.«
»Lass mich in Frieden«, flehte ich sie an. »Es sei denn, du kennst noch einen weiteren Zauber, der den Lauf der Zeit beschleunigt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Niemand hat eine derartige Macht. Gott ließe es nicht zu. Wir müssen uns nach seinen Gesetzen richten.«
Ich wollte sie wegstoßen. Um ein Haar hätte ich Hand an sie gelegt. Ihr schwarzes Haar umwehte sie wie eine Wolke, so als hätte mein Gedanke den Wind erzürnt, doch dann wandte sie sich aus eigenen Stücken ab.
»Ungeduld erzeugt Zorn und Zorn Feuer«, warnte sie mich, als sie zur Straße und zu ihrem Pferd zurückging.
»Warum nur eine Seite?«, fragte ich. Ich war total fasziniert. Ich wollte noch mehr erfahren.
Die Frage gefiel Margaret, und sie legte ihre Hand auf meine. »Ich habe einen Abschnitt ausgesucht, der mir für heute passend erschien. Selbst mit einer einzigen Seite verlasse ich ungern das Haus. Was, wenn sie beschädigt wird oder verloren geht?« Ihr Blick war flehend. Sie schien die Frage ernst zu meinen.
Ich betrachtete den Totenschädel, die Fledermäuse, die Engel und den Efeu auf Prudence’ Grabstein und nickte. Ja, ich verstand. Jeder Hinweis auf Prudence’ Verbleib war wertvoll.
Mr. Geyer schlenderte einen der Schotterwege entlang und blieb gelegentlich stehen, um sich einzelne
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