Creepers - Der Fluch der Hexe
Blick auf Mr. Geyers schwarze Socken.
»Margaret kann den Leuten davon erzählen, und ich werdeihr helfen.« Margaret würden sie zuhören. Sie sah immerhin normal aus und konnte sich extrem gut ausdrücken. Die Erwachsenen würden ihr zuhören. Das wusste ich instinktiv.
Margaret stand auf und nahm meine Hand. Für ein Mädchen in meinem Alter hatte sie ziemlich altmodische Angewohnheiten, wie etwa dieses Nach-der-Hand-Greifen, das geradewegs aus Betty und ihre Schwestern zu stammen schien.
»Ich finde, das ist eine großartige Idee.« Ihr sonst so blasses Gesicht war gerötet. Sie atmete hastig. »Wir haben die Fotos und die Zeitungsausschnitte von der Umbettung. Wir müssen den Leuten nur irgendeinen Beweis liefern, dass Prudence wirklich verloren gegangen ist.«
»Wie meinst du das?«, fragte ich. »Ich dachte, ihr hättet das Grab ausgegraben?«
Margaret riss die Augen auf. »Courtney, wir haben gesagt, dass wir die Information ausgegraben haben. Wir können doch nicht einfach eine Grabstelle öffnen … obwohl in diesem Fall …«, setzte sie schwermütig hinzu. Ihr Blick zuckte zu Mr. Geyers Gesicht. Ihr Ausdruck schien zu fragen: Was nun?
»Dann können wir doch einfach die Information benutzen, die ihr habt?« Oder nicht? Ich war verwirrt. Warum machen die beiden nur aus allem so ein Rätsel?
»Nein, das können wir nicht, Courtney.« Mr. Geyer hatte denselben ernsten Gesichtsausdruck, den er am Abend zuvor meiner Mutter gegenüber aufgesetzt hatte. »Diese Information könnte meinen Nachforschungen schaden, wenn sie an die Öffentlichkeit käme. Und ich will nicht, dass Christian Geyer oder der Efeu in irgendeiner Weise erwähnt wird. Ist das klar?«
Ich muss ihn angestarrt haben, als hätte plötzlich ein Wildfremder von Mr. Geyers Körper Besitz ergriffen. »Das will ich auch nicht«, stimmte ich ihm zu, als mir plötzlich die wildwuchernden Pfade in den Sinn kamen, die der Efeu an meine Kellerwände gezeichnet hatte. Ich klang vermutlich etwas beleidigt.
»Dad«, fuhr Margaret dazwischen. »Courtney will doch nur helfen. Sie hatte eine gute Idee. Wir müssen sie einfach so umsetzen, dass sie funktioniert.« Margarets Kinn war wieder einmal hoch erhoben.
Es war wirklich beeindruckend, wie sie ihn beschwichtigen konnte. Er ließ das Notizbuch sinken und kratzte sich am Kopf, so als würde er über eine sehr alte Erinnerung nachdenken. »Tut mir leid, Courtney. Dieser Friedhof hat für mich eine solche Bedeutung, dass ich schnell überreagiere. Ich weiß, dass du unsere Verbündete bist. Entschuldige bitte, dass ich so unhöflich war. Ich schätze, dieser Kampf geht mir einfach zu nahe.«
»Ich verstehe schon«, erwiderte ich. Und das tat ich wirklich. Das ganze letzte Jahr über hatten diese Nachforschungen das Leben der beiden bestimmt. Ich drehte mich um undließ meinen Blick über das riesige Friedhofsgelände schweifen, dessen Grenzen ich von meinem Standpunkt aus nicht erfassen konnte. Ich versuchte mir stattdessen Häuser mit großen Gärten und Terrassen vorzustellen. Es war eine grauenhafte Vorstellung. Sie kam mir frevelhaft vor.
Ich drehte mich wieder um, um Mr. Geyer und Margaret ein mitfühlendes Lächeln zu schenken. Ich wusste, wie sie sich fühlten. Aber mein Lächeln erstarb, als ich sah, dass sie unser Haus anstarrten. Mr. Geyer hatte die Augenbrauen hochgezogen, anscheinend vor Verwunderung. Und Margarets Mund stand leicht offen.
»Was ist denn?«, fragte ich unruhig. Für mich sah alles aus wie immer – ein efeuberanktes Haus, umgeben von Wald und Maisfeldern.
Mr. Geyer rieb sich die Stirn, als hätte er Kopfschmerzen. »Nichts, Courtney. Ich denke nur gerade an die ganze Arbeit, die uns noch bevorsteht.«
Margaret und ich standen am Ende unserer Einfahrt und warteten den Windzug eines vorbeifahrenden Autos ab, bevor wir selbst in die Straße einbogen. Mr. Geyer war bei meiner Mutter geblieben. Er saß vermutlich gerade am Küchentisch unter den herabbaumelnden Töpfen und Pfannen, während meine Mutter ihren großen gelben Block für das Interview zückte. Sie hatte eine ausladende Schrift. Kleine Notizbücher waren nicht ihr Ding.
Ich wäre gern bei dem Interview dabei gewesen. Ich wusste, dass meine Mutter interessante Fragen stellen würde, über den Friedhof und über Mr. Geyers Rolle als dessen Beschützer. Fragen, auf die ich selbst nie gekommen wäre oder die ich mich nicht getraut hätte zu stellen. Fragen, die nur ein Erwachsener einem Erwachsenen stellen
Weitere Kostenlose Bücher